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Kultur: Schwarze Löcher

Nick Cave und seine Band Grinderman verwandeln die Columbiahalle in eine köstliche Rock-Vorhölle

„I Got The No Pussy Blues!“ brüllt der schmutzige alte Mann, der Kylie Minogue als Wasserleiche bekannt machte. Pulsierend von wollüstiger Aggressivität beheult er stumpfsinnige Gewalt und gefühllosen Sex, singt so wund über Frauen, die auf Schlangen reiten, lässt Stirnfalten zucken und Augäpfel rollen. Der dunkle Anzug ist nach 20 Minuten durchgeschwitzt. Seit den Tagen mit Birthday Party vor 30 Jahren hat man den 53-jährigen Nick Cave nicht mehr so wild und aufdringlich erlebt. Fest entschlossen noch einmal auf die Jagd zu gehen, ist der Radaubruder mit Grinderman zu einem psychotischen Garagensound zurückgekehrt, der mit dem Puls experimentiert, der direkt aus den Eingeweiden kommt und daraus einen aufregenden Blues-Taumel macht. Dazu hat er das Klavier gegen eine elektrische Krachgitarre getauscht und sich von seinen Bad Seeds drei furchtlose Begleiter ausgewählt, die in der Columbiahalle durch dunkle Löcher rumpeln.

Warren Ellis, der mit Vollbart aussieht wie ein alttestamentarischer Wanderprediger, veranstaltet an der Wah-Wah-Gitarre und Teufelsgeige wahre Feedbackorgien. Martyn Casey prügelt den Bass und Jim Sclavunos schüttelt am Schlagzeug nervöse Voodoo-Rhythmen, über die Cave seine geschundenen Stimmbänder streckt, als hätte eine gestärkte Kragenspitze seine Kehle geritzt und die letzten Tropfen müden Bluts vergossen. Keinen Augenblick reduziert er die Intensität des Auftritts, eine grandiose Knüppelei, die in neunzig Minuten fast alle Songs der beiden Alben präsentiert und zum Triumph für den nihilistischen Leidensmann wird, der seine Zeit erst kommen sieht, wenn andere vom Ende der Zeiten sprechen. Volker Lüke

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