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Herkunftssuche. Die wissenschaftliche Koordinatorin Andrea Baresel-Brand sieht sich in den Räumen des Taskforce-Büros Kopien einer Renaissance-Tafel an.

© dpa

„Schwabinger Kunstfund“: Taskforce zur Sammlung Gurlitt legt magere Bilanz vor

Die Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ präsentiert ihren Abschlussbericht: Von 500 Bildern konnte nur von elf die Herkunft geklärt werden. Viele sind enttäuscht – dabei waren die Erwartungen zu hoch gesteckt.

Ein Happy-End sieht anders aus. Die Arbeit der Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ konnte nicht zu einem glücklichen Abschluss gelangen, auch wenn der Wunsch danach groß war. Zunächst innerhalb eines Jahres sollten die internationalen Provenienzforscher 500 unter Raubkunst-Verdacht stehende Bilder der Sammlung Gurlitt überprüfen, eine Herkulesarbeit. Noch ein Jahr später liegt nun der Arbeitsbericht vor, nur für elf Positionen wurde die Herkunft aufgeklärt, eine erschreckend magere Bilanz. Das gute Dutzend Wissenschaftler konnte die Suppe nicht auslöffeln, die sich Bayern und Bundesregierung zuvor mit ihrer Verschleppungsstrategie eingebrockt hatten.

Anderthalb Jahre wurde die Entdeckung der 1258 Werke umfassenden Sammlung des ehemaligen NS-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt im Frühjahr 2012 der Öffentlichkeit vorenthalten, nachdem die Augsburger Staatsanwaltschaft die komplette Kollektion wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung beschlagnahmt hatte. Erst ein Bericht im Magazin „Focus“ machte die unglaubliche Geschichte vom über 80-jährigen Sohn publik, der den Bilderschatz seit Jahrzehnten in seiner Münchner Wohnung hütete.

Die Enttäuschung war programmiert

Ein internationaler Skandal war die Folge, die Bundesrepublik geriet unter Vertuschungsverdacht. Die Jewish Claims Conference argwöhnte, dass den verfolgten Sammlern und ihren Nachfahren ein weiteres Unrecht widerfahre. Die beste Methode, aller Welt den guten Willen zur Aufklärung, zur Wiedergutmachung kundzutun, war die Gründung einer Arbeitsgruppe zur Beschleunigung der Recherchen wenige Tage nach Bekanntwerden der sagenhaften Sammlung, die anfangs noch mit Milliardenwerten beziffert wurde. Die Bezeichnung Taskforce sollte Entschlossenheit signalisieren, geradezu militärische Durchsetzungskraft. Ein politisches Instrument wurde damit geschaffen – und dabei vergessen, wie langwierig die wissenschaftliche Provenienzforschung ist. Die Enttäuschung war programmiert.

Nun tritt die Taskforce endgültig ab. Ihre Arbeit ist dennoch nicht erledigt. Von den 499 Werken, die bei der Lost-Art-Datenbank als Verdachtsfälle für NS-Raubkunst gemeldet waren, gibt es nur für elf Positionen einen lückenlosen Herkunftsnachweis. „Zwischen Gründlichkeit und Schnelligkeit besteht ein Zielkonflikt“, gestand auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters ein, als Taskforce-Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel ihr am Donnerstag den Abschlussbericht offiziell überreichte.

Es wurden bereits 1,8 Millionen Euro investiert

Ein Zwischenbericht, hieß es gleich. Die Recherchen werden fortgesetzt am neu gegründeten Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg, die bislang beteiligten Wissenschaftler bleiben weiter engagiert. Ihnen ist nochmals ein Jahr gegeben mit Aussicht auf Verlängerung. Der Bund gibt weiterhin die Gelder, nachdem bereits 1,8 Millionen Euro investiert wurden. Auch diese Zahl kann nur verwundern angesichts des dünnen Ergebnisses. Auf Nachfragen wegen der hohen Kosten beschrieb Ingeborg Berggreen-Merkel höchst anschaulich die schwierige Ausgangslage für das provisorisch in einem Abbruchhaus untergebrachte Taskforce-Büro, das auf Stühlen aus zweiter Hand und geschenkten Tischen arbeiten musste; das Geld wurde unter anderem für Reisen und Übersetzungen gebraucht.

Zu den technischen Schwierigkeiten, der komplizierten Kommunikation unter den internationalen Taskforce-Mitgliedern kam der Erbstreit mit der Familie des Sammlers. Cornelius Gurlitt hatte überraschend seinen Nachlass dem Kunstmuseum Bern vermacht, für das die Bundesregierung weiterhin die Provenienzforschung übernahm, um ihre bleibende Verantwortung zu signalisieren. Im letzten Moment machte eine Cousine von Gurlitt ihre Ansprüche geltend und legte ein posthumes Gutachten vor, das die Testierfähigkeit des Sammlers infrage stellte. Nachdem ein Gegengutachten Ende 2015 wiederum seine Zurechnungsfähigkeit bestätigt hat, wird nun im Frühjahr eine letzte Entscheidung der Gerichte erwartet.

Von elf Objekten waren fünf Raubkunst

Für das fortan unter Leitung der bisherigen Koordinatorin Andrea Baresel-Brand stehende Forscherteam geht die Arbeit davon unberührt weiter. Es wird sich zunächst jenen 117 Werken widmen, für die es Hinweise auf „NS-verfolgungsbedingten Entzug“ gibt, wie der offizielle Terminus lautet, bei insgesamt 25 besteht „für die weitere Beforschung höchste Priorität“. Größere Entdeckungen sind nicht zu erwarten. Von den elf endgültig ausgeforschten Objekten haben sich fünf tatsächlich als Raubkunst erwiesen, darunter die beiden von Anfang an unter Verdacht stehenden Bilder „Reiter am Strand“ von Liebermann sowie Matisses „Sitzende“. Sie wurden inzwischen an die Nachfahren restituiert, nachdem Cornelius Gurlitt kurz vor seinem Tod erklärt hatte, den Washingtoner Prinzipien freiwillig Folge zu leisten, die bislang nicht für Privatpersonen, sondern nur für öffentliche Museen gelten.

Der Fall Gurlitt beginnt damit einerseits zu schrumpfen, auch wenn er durch die besonderen Umstände, die unmittelbare Verbindung in die finsterste deutsche Vergangenheit, einzigartig ist. Andererseits bleibt er als Skandal virulent, verweist er doch auf ein erst in den letzten Jahren wahrgenommenes Defizit in der Aufarbeitung des NS-Unrechts. Nach wie vor befinden sich in öffentlichen wie privaten Sammlungen zahllose Werke, die im „Dritten Reich“ verfolgten Sammlern abgepresst oder geraubt wurden.

Kurz nach Übergabe des Arbeitsberichts meldete sich Ronald Lauder, Sprecher des World Jewish Congress, und kritisierte die Ergebnisse der Taskforce als „unbefriedigend“. Er habe von Deutschland mehr erwartet, zumal angesichts der drängenden Zeit für die hoch betagten Nachfahren. Jede weitere Verzögerung nannte er „einen Schlag ins Gesicht der Anspruchsteller“. Die Erwartungen bleiben bestehen, sowohl an die Forscher als auch an die Bundesregierung, die ihrer Aufgabe „moralisch gerecht“ werden will (Grütters). Sie sind weiterhin kaum zu erfüllen.

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