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Kultur: Schrei, wenn du kannst

Ron Burgundy ist zurück: „Anchorman“ führt in die total verrückte Welt der Nachrichtensprecher.

Es wäre wohl ein wenig viel der Ehre, „Anchorman – Die Legende kehrt zurück“ als eine intelligente Komödie zu bezeichnen. Dafür setzt der Film zu konsequent auf derbe Effekte, auf lustvolle Unterbietung der Publikumserwartung und auf das kindische Verhalten seiner vier Protagonisten. Angeführt wird die Clique von dem Nachrichtensprecher Ron Burgundy (Will Ferrell), einem Repräsentanten jener eigentümlichen siebziger Jahre, in denen buschige Schnauzer als schick, Jazzflöte als cool und Chauvinismus und Ignoranz als Tugenden durchgingen.

Das Schicksal meint es zu Beginn dieser Fortsetzung nicht gut mit Ron: Er verliert seinen Job als Moderator einer Nachrichtensendung, seine Ehe scheitert und er droht geradewegs in Depressionen zu versinken, als ihm in seiner schwärzesten Stunde der Fernsehproduzent Freddie (Dylan Baker) eine zweite Chance anbietet. In New York bereitet zur selben Zeit der erste 24-Stunden-Nachrichtenkanal der Welt seinen Sendestart vor, und Ron soll nun mit einem eigenen News-Team dabei sein.

Der Einfall, die Handlung exakt im Jahr 1980 anzusiedeln, als der Start von CNN nicht nur die Fernsehnachrichtenwelt durcheinanderwirbelte, ist bestechend, bietet er doch den Autoren – Regisseur Adam McKay und Will Ferrell selbst – Gelegenheit, hinter der amüsanten Handlung die Veränderungen in der NewsBranche der vergangenen drei Jahrzehnte zu reflektieren. Wenn Ron und sein Team beschließen, ihre Quote mit Patriotismus, Tierfotos und Live-Übertragungen von Verfolgungsjagden zu steigern, dann ist Ron Burgundy so etwas wie der Forrest Gump der Fernsehnachrichten, der an allen entscheidenden Entwicklungen maßgeblich beteiligt ist.

Trotz alledem funktioniert „Anchorman 2“ nicht in erster Linie als Satire. Viel mehr als auf den grundlegenden mediengeschichtlichen Wandel kommt es auf die Charaktere an, auf den exzentrischen und egomanen Ron und seine Kumpane, Sportberichterstatter Champ Kind (David Koechner), Reporter Brian Fantana (Paul Rudd) und Wetterfrosch Brick Tamland (Steve Carell). Die Komik, die dieses Quartett entfesselt, ist geschult an Comedysendungen wie „Saturday Night Live“, was bisweilen milde störend auffällt, wenn einzelne Szenen allzu sketchartig inszeniert bleiben. Insgesamt aber wirkt der Fernsehhintergrund der Beteiligten durchaus erfrischend – als atmosphärische und Ereignisfolie für Spontaneität, Improvisationsfreude und Mut zum skurrilen Aberwitz. Das beginnt mit den grotesken Schreilauten und Dada-Texten, die Ron vor seinen Nachrichtensendungen als Stimmübungen ausstößt, und setzt sich fort, wenn er, zwischenzeitlich erblindet, seinen Kollegen erzählt, er habe sich am Morgen versehentlich mit einem lebenden Hummer die Zähne geputzt – er könne ja schließlich nichts sehen.

Seit den rasanten Filmen des Produzententrios Zucker-Abraham-Zucker, vor allem „Airplane!“ und „Top Secret!“, war in amerikanischen Mainstream-Komödien keine solche Lust am bizarren Nonsens mehr zu sehen. Und wenn Brick als Redner auf seiner eigenen Beerdigung auftritt, vor Schmerz über den Verlust kaum ein Wort herausbringt und nur mit äußerstem Nachdruck von der Trauergemeinde davon überzeugt werden kann, dass er ja ganz offensichtlich keineswegs tot ist, dann ist es nicht mehr weit zur surrealistischen Komik eines Luis Buñuel. Der lässt in seinem Film „Das Gespenst der Freiheit“ ein Ehepaar bei der Polizei eine Vermisstenanzeige für ihre Tochter aufgeben – in deren Anwesenheit, versteht sich.

Aber der Vergleich ist nun wohl wirklich zu viel der Ehre. David Assmann

Astra, Cinemaxx, Cineplex Neukölln

Arcaden, Cinestar Tegel, Colosseum,

Cubix, Eastgate, UCI Friedrichshain; 

OV im Cinestar SonyCenter

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