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Lukas Hagen, Rainer Schmidt, Veronika Hagen und Clemens Hagen (v.l) bilden seit 1981 das Hagen Quartett.

© Harald Hoffmann/artisticmanagement.eu

Schostakowitsch-Zyklus des Hagen Quartetts in Berlin: Ich verstumme nicht

Mit den Endzeitmusiken der letzten Quartette setzt das Hagen Quartett seiner Schostakowitsch-Reihe im Pierre Boulez Saal fort, im Rahmen der Quartettwoche.

Wie ein Schlaflied beginnt Dmitri Schostakowitschs letztes Streichquartett. Der Trost währt nicht lange und weicht einer beklemmenden Agonie. Alle sechs Sätze des es-moll-Quartetts Nr. 15 sind Adagios: Miniaturen des Erstickens, harsch crescendierende Einzeltöne in der Serenade, die Bratsche weint im Nocturne. Auf den Trauermarsch in sattem Moll folgen ein allerletzter Ausbruch des Cellos, zittrige Sechzehntel-Ketten, ersterbende Terzen. Schostakowitsch war schwer krank, er starb ein Jahr später, 1975.

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Das Hagen Quartett hat die Reihenfolge seines Schostakowitsch-Zyklus' zum 40-jährigen Ensemble-Geburtstag im Berliner Boulez Saal geändert. Wegen krankheitsbedingt veränderter Proben spielte es im Rahmen der aktuellen Quartettwoche am Mittwoch die drei letzten Quartette, am 20. Juni folgen dann noch Nr. 10 bis 12.

Ein Abend voller Geistermusik, kompromisslos, hochkonzentriert. Schon im einsätzigen Quartett Nr. 13 stirbt jeder für sich allein: Alles Melodiöse zeigt sich versprengt, die Harmonik bedrängt und zerquält, immer enger die Räume. Da behauptet einer unter Aufbietung der letzten Kräfte sein Ich gegen das Kollektiv und macht keinen Hehl aus seiner Verlorenheit. Auch im Fis-Dur-Quartett Nr. 14, mit verzerrten Tänzen auf dem Vulkan. Kaum klingt es mal volkstümlich vertraut, driftet die Musik wieder ins Ungemütliche ab.

Das Hagensche Geschwister-Trio und Rainer Schmidt (zweite Geige) bestechen durch die einmütige Verteidigung des Subjektiven. Die unglaublich erdige Bratsche von Veronika Hagen, die verhaltene Intensität Rainer Schmidts, der um seine Vergeblichkeit wissende Gesang von Lukas Hagens Violine und die trotzige Expressivität von Clemens Hagens Cello fügen sich zum bewegenden Porträt eines leidenden Menschen, der sich weigert zu verstummen.
Ecce homo: Die düstere Bilanz des mal gefeierten, mal kaltgestellten russischen Komponisten lässt einen so schnell nicht mehr los.

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