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Der Schriftsteller und seine Lebensgefährtin. Der Erfolgsautor Max Zorn (Stellan Skarsgård) ist mit Clara (Susanne Wolff) zu Besuch in New York. Aber er träumt von einer anderen Frau.

© Wild Bunch

Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ im Kino: Der alte Mann und die Liebe

Ein verpasstes Leben: Volker Schlöndorffs Beziehungsdrama „Rückkehr nach Montauk“. Es ist die Adaption einer Erzählung von Max Frisch - sehr frei.

Früher war alles besser, heute ist alles schöner. Der Schriftsteller Max Zorn (Stellan Skarsgård) versinkt in Erinnerungen, als er für eine Lesung aus seinem neuen Roman in New York ankommt. Damals, vor 20 Jahren, als das Leben noch aufregend und seine Ausdauer groß war, fand Zorn in der Sehnsuchtsstadt seine große Liebe: die junge, aus Sachsen eingewanderte Rebecca (Nina Hoss). Der gefeierte Autor, der Rebecca verließ, um sich vielen anderen Frauen, seiner Karriere und dem Restleben zu widmen, kann sie nicht vergessen. Auch die Beziehung zur ehemaligen Verlagspraktikantin Clara (Susanne Wolff) ändert daran nichts. Zorn empfindet das schöne Bedauern.

Über einen gemeinsamen Freund nimmt er Kontakt mit Rebecca auf und findet heraus, dass sie als High-Class-Anwältin arbeitet. Und überredet sie – gedeckt von seiner New Yorker Assistentin Lindsey (Isi Laborde) – sogar zu einem Wochenende in Montauk, jenem abgelegenen, malerischen Ort auf Long Island, ihrem früheren Liebesnest. Doch spätestens auf dem Rückweg von der Rückkehr überkommt ihn die Erkenntnis: Man kann die Zeit nicht zurückdrehen.

Aus jenem schönen Bedauern hatte Max Frisch einst seine Erzählung „Montauk“ gesponnen. Frischs guter Freund Volker Schlöndorff, der schon dessen Roman „Homo Faber“ adaptierte, hat gemeinsam mit dem irischen Schriftsteller Colm Toibin das Thema nun für seine freie Adaption „Rückkehr nach Montauk“ aufgegriffen. Und er hat eigene Erfahrungen eingearbeitet – auch Schlöndorff stand einst zwischen zwei Frauen, und hadert bis heute mit seiner Entscheidung. Es ist ein schwieriges Sujet, in dem Schlöndorffs Protagonist zu Hause ist. Denn es macht ihn nicht gerade sympathisch. Darin liegt auch das Problem: Einem solchen Helden folgt man ungern.

Mann oder Maus

An Skarsgårds tadellosem Spiel liegt es also nicht, dass man sich schon nach zehn Minuten fragt, ob Zorn eigentlich Mann oder Maus ist. Aus einem Leben heraus, das beruflichen Erfolg und Anerkennung, eine energisch-energetische junge Freundin, eine erwachsene Tochter, Freunde und Erfahrungen beinhaltet, gräbt sich Schlöndorffs Held immer tiefer ins Selbstmitleid hinein. Er zaudert, er jammert: Mit dem Älterwerden (das Jackett sitzt nicht), mit den Gefühlen (die Frau will nicht), mit der Frage, ob die eingeschlagenen Wege die richtigen waren. In Schlöndorffs Charakterisierung der Figuren steckt viel Liebe zum Detail, etwa wenn Zorn behauptet, er habe schon früher versucht, Rebecca zu finden, aber wegen ihres geänderten Nachnamens keinen Erfolg gehabt. Dann wird klar, wie oberflächlich die Figur tatsächlich ist: Es wäre ein Leichtes gewesen, gemeinsame Freunde zu fragen. Aber das war ihm zu anstrengend. Lieber verarbeitete er seine Erinnerung an die große, gewesene Liebe literarisch, überhöhte sie – nach egozentrierter, aber nicht untypischer Schriftstellermanier.

„Sie benehmen sich wie ein Kind“, sagt Lindsey irgendwann zu ihm, und ihr verächtlicher Unterton ist verständlich. Zorn traut sich nicht einmal, selbst bei Rebecca anzurufen, stattdessen bringt er Lindsey dazu, für ihn zu lügen. Er interessiert sich auch nicht wirklich für Claras Leben, für ihre Arbeit. Irgendwann kreuzt er nachts voll wie eine Haubitze in Rebeccas schniekem Upper Westside Loft auf, in dem sie mit einer Freundin am erlesenen Wein nippt, und ernennt sich zur Hauptfigur. Manche machen für ein solches Verhalten eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ verantwortlich. Man könnte auch einfach Mistkerl sagen.

Alles so schön shabby

Dabei ist das weibliche Triumvirat Rebecca-Clara-Lindsey, das verschiedene Phasen in Zorns Leben verkörpert, eigentlich stimmig. Die kühle Anwältin, der man die Verletzungen erst nach einer Weile anmerkt, die selbstständige Freundin mit dem langen Geduldsfaden, die loyale Assistentin, die Zorns Verhalten ehrlich verurteilt, sie treten als glaubhafte Figuren auf. Dass Rebecca die Rückkehr nach Montauk nur nutzt, um zu versuchen, ihr eigenes Trauma auszutricksen, macht sie zusätzlich interessant.

Was an der elegisch plätschernden „Hätte, hätte, (Alt)Herrentoilette“-Erzählung irritiert, ist Zorn selbst. Und der erlesene Wein, das schnieke Apartment, der shabby Chic in der Montauk-Wochenenddatsche, deren Interieur mit Vase und Schwammtechnik aus einem schwedischen Möbelhaus-Prospekt zu stammen scheint. Oder Nina Hoss’ weiter Wollpullover, in dem sie durch die Dünen streift, mit Ärmeln so lang, dass sie in dem guten Stück ganz verloren aussieht. Ästhetisch bleibt dieser Film in einem viel zu sauberen, motivisch schwachen Reigen von Klischees gefangen, die nie auch nur im Ansatz gebrochen werden. Weder durch handfeste Sexszenen, die dem literarischen Schmachten eine sinnliche Komponente hinzufügen könnten, noch durch einen letzten Rest sächsischen Dialekts, der Rebeccas Figur irgendwie in der Wirklichkeit verankern würde. Doch sie spricht reinstes Schauspielschulidiom.

Ermüdet bleibt man zurück, diese Heldenreise führt an kein Ziel. Vermutlich wird der Großautor auch dieses private Scheitern noch verarbeiten. Zu einem weiteren Stück Larmoyanzliteratur.

Ab Donnerstag in den Kinos

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