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Wiederentdecker. Paul Maenz hat zahlreiche internationalen Künstlerkarrieren angestoßen.

© Mike Wolff

Schenkung für das neue Museum des 20. Jahrhunderts: Ein Galerist gibt seine Bilder her

Paul Maenz vermacht der Neuen Nationalgalerie Teile seiner Sammlung. Dabei fürchtet er, dass die Stadt sich mit dem geplanten Museum übernimmt.

To whom it may concern“ hat Paul Maenz seine Ausstellung im Hamburger Bahnhof überschrieben, ebenso wie es über jeder beliebigen Bewerbung in den Vereinigten Staaten stehen könnte. Als Titel frei übersetzt „Wen es interessiert“ zu wählen, zeugt nicht nur von Humor, sondern ist auch als Wink in die verschiedenen Richtungen der Museumswelt zu verstehen – zu den Besuchern, Kuratoren, anderen Sammlern hin.

Wenige Tage vor Eröffnung zeigt sich Maenz in seinem Büro in der Augsburger Straße sichtlich zufrieden. Endlich werden seine Schenkungen präsentiert, die er seit 2006 der Nationalgalerie und der Stiftung der Freunde der Nationalgalerie gemacht hat. Von den Werken Elaine Sturtevants, Hans Peter Feldmanns, Joseph Kosuths, Walter Dahns und Jiří Georg Dokupils hält der seit 1993 in Berlin lebende Kölner Galerist nur noch Fotos in den Händen. Sie haben nun ihren endgültigen Ort gefunden. Dem Beispiel sollten auch andere Sammlern folgen, findet er, und das künftige Museum des 20. Jahrhunderts beschenken.

Äußerer Anlass für die Ausstellung aber ist der 80. Geburtstag dieses Bewegers der Kunstwelt in den 70er und 80er Jahren. Damals war Maenz, der an der Folkwang-Schule in Essen studiert und anschließend in New York erfolgreich Rasierapparate, Maxwell-Kaffee und Red Cross beworben hatte, von Frankfurt nach Köln gezogen, um mit Gerd de Vries als Kompagnon eine Galerie zu eröffnen. In Frankfurt hatte der junge Grafikdesigner nicht nur eine Werbeagentur betrieben, sondern auch Ausstellungen mit Peter Roehr und Charlotte Posenenske gemacht. Die aus New York importierten Minimalisten zeigte er fortan in Köln, in den Achtzigern folgten die Figurativen, Maenz setzte sich nun für die Mülheimer Freiheit und Transavanguardia ein. Heute liest sich seine Künstlerliste wie das Who is Who der Großen, von Kiefer bis Keith Haring.

„Warhols Flowers“ stellten die Verbindung her

Auch die Ausstellung im Hamburger Bahnhof erzählt davon. Maenz war der Wiederentdecker der Appropriation- Künstlerin Elaine Sturtevant, die sich aus den USA nach Paris zurückgezogen hatte. „Mit ihr gaben wir die einzige Pressekonferenz, die wir in unserer Galerie je abgehalten haben“, erinnert sich der Galerist. Udo Kittelmanns Retrospektive 2004 im Frankfurter Museum für Moderne Kunst war ihr Durchbruch. Ihre „Warhols Flowers“ stellten die Verbindung zwischen Maenz und der Nationalgalerie her, deren Direktor Kittelmann 2008 wurde.

Im Gepäck hatte Maenz außerdem ein Schlüsselwerk der Minimal Art: Joseph Kosuths „One and Three Chairs“ von 1965, das am Beispiel eines Stuhls so einfach wie evident die drei Ebenen unserer Wahrnehmung darstellt: als realen Gegenstand, als Bild in Form einer Fotografie und als Begriff durch die lexikalische Definition. Lange Zeit interessierte sich niemand dafür, kein Museum wollte es kaufen. Doch Maenz hatte Kosuth versprochen, das in einer Dreierauflage existierende Werk im deutschsprachigen Raum im Museum unterzubringen. Nun hat es einen Platz in Basel, Wien und Berlin.

Früher zeigte mancher ihm einen Vogel für seine Kunst

„Auch für Hans-Peter Feldmann hat man mir vor zwanzig Jahren noch manchmal den Vogel gezeigt“, sagt Maenz, der mit Genugtuung verfolgt, dass der Künstler heute zum Kanon gehört. Im Hamburger Bahnhofs ist von ihm das „Rote Abendkleid“ zu sehen, das von einer Schaufensterpuppe getragen wird, dazu Perlenkette und Sandaletten, das Ganze auf grünem Stoff platziert. Maenz gefällt die Aussicht, dass Feldmann hier wieder für Verwirrung sorgen wird mit einer Kunst, die ihren Schönheitsbegriff nicht aus höheren Sphären, sondern der banalen Wirklichkeit bezieht. Sein „100 Jahre“ überschriebener Fries, bestehend aus Schwarz-Weiß-Porträts vom Baby bis zur 100-Jährigen, zeugt von Feldmanns Hingabe an die Realitäten des Lebens.

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Mit den 22 „Ricki-Bildern“ von Dahn und Dokupil, die eine Wand im Hamburger Bahnhof füllen, schlägt Maenz den Bogen von Köln nach Berlin. Bezugnehmend auf Rainer Fettings Serie „Ricky unter der Dusche“ malten die beiden Kölner Künstler ein Faultier, eine Ratte, ein Wigwam, ein Auto ebenfalls im Bad – als rheinische Antwort auf die Neuen Wilden.

Wer heute Maenz sagt, meint immer noch Köln, so stark prägte die Galerie das Geschehen in der damaligen Kunstmetropole. Maenz und de Vries schlossen ihre Galerie, als sie merkten, dass sie vom Alter her die Väter ihrer Künstler sein könnten, die innere Distanz wurde zu groß. Drei Jahre später zogen die beiden nach Berlin. Wenig später folgten ihnen Max Hetzler, Monika Sprüth und Philomene Magers mit ihren Geschäften in die neue Hauptstadt. Maenz blieb Beobachter als einer, der die Szene in einer Stadt kommentierte, die immer schon dazu neigte, sich zu übernehmen, wie er sagt. Das geplante Museum des 20. Jahrhunderts könnte das nächste Beispiel sein, fürchtet Maenz.

Was mit dem Rest der Sammlung passiert, weiß Maenz noch nicht

Die Schenkung für die Nationalgalerie ist deshalb als Unterstützung zu sehen, wie vor 16 Jahren die Schenkung von 160 Grafiken ans Kupferstichkabinett. Damals zeichnete sich allerdings auch das Ende der Beziehung mit Weimar ab. 1995 hatte die Klassikerstadt ihr Neues Museum mit der Sammlung Maenz wiedereröffnet und wusste doch nichts mit der Kunst nach 1950 anzufangen. Als die Besucherzahl auf unter 5000 sank, zog der Gönner seine Gabe ab. Sturtevants knallblaue „Warhol Flowers“ prangten einst im Neonrenaissance-Bau von Weimar.

[Hamburger Bahnhof, Invalidenstr. 50-51, bis 3. Mai; Di bis Fr 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr]

Auf die Frage, was mit den weiteren Werken seiner Sammlung passieren soll, die heute drei Lagerhäuser füllen, hat Maenz keine rechte Antwort. Geben würde er sie wohl gerne, wenn sich jemand fände. „Kunst ist zum Benutzen da, nicht zum Besitzen“, sagt er. Insofern lässt sich die Ausstellung im Hamburger Bahnhof doch noch als Bewerbung lesen.

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