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Kultur: Schaubuden-Oper

K.A.

K.A.Hartmanns "Wachsfigurenkabinett" in Berliner ErstaufführungVON VOLKER STRAEBELDas Bild, das man sich gemeinhin von dem kurz nach der Jahrhundertwende geborenen Komponisten Karl Amadeus Hartmann macht, ist geprägt von den bekenntnishaft-pathetischen Symphonien, die er in der "Inneren Emigration" während des Dritten Reiches für die Schublade schrieb.Auch die Hartmann-Renaissance der für alle möglichen Neo-Ismen empfänglichen achtziger Jahre übersah die der Neuen Sachlichkeit verpflichteten früheren Werke des Münchners.Zu diesen gehört die 1929/30 entstandene Reihe von fünf Kurzopern "Wachsfigurenkabinett", die Hans Werner Henze vor zehn Jahren für seine Münchner Opern-Biennale ausgrub und vervollständigte und die Studenten der Hochschule für Musik Hanns Eisler nun im Saalbau Neukölln zur fulminanten Berliner Erstaufführung brachten.Zwei neoklassizistische Juwelen eröffnen den kurzweiligen Abend.Die auf das Format einer Kirmes-Aufführung verknappte Darstellung des Lebens und Sterbens Rasputins am Zaren-Hof bedient sich der Mittel des epischen Theaters und persifliert die Form der Nummernoper durch äußerste Verdichtung.Franziska Sommerfelds dramatischer Sopran wird in diesem Kontext unverdient zur Karikatur, wie überhaupt die Solisten mit ihrer Rolle als glamorösem Bühnen-Star selbstverfremderisch zu spielen genötigt sind.Die noch junge Technik des Radios thematisiert die Satire "Der Mann, der vom Tode auferstand", in der Wolfram Teßner als bornierter Kapitalist sich vor den Klängen einer revolutionären Funkoper unter sein Eisbärenfell flüchtet.Im Orchestergraben werden derweil Versatzstücke aus Modetänzen und klassischen Floskeln humorvoll mit Arbeiterliedern collagiert.Da fällt kaum auf, daß man die Umbaupause mit Strawinkys "Drei leichten Stücken" für Klavier zu vier Händen (1917) füllt.Den Biß von Hartmanns doppelbödiger Zeitopern- und Kabarettmusik trifft das mit Witz und Spielfreude agierende Ensemble unter der wechselnden musikalischen Leitung von Wolfgang Endrös, Christopher Wasmuth und Andreas Schüller genau.Cornelia Heger inszenierte prägnant bis ins choreographische Detail hinein, griff jedoch für solch ein Schaubuden-Spektakel mitunter zu tief in die Requisitenkiste.Doch in der skurrilen Revue "Chaplin-Ford-Trott", die die Amerika-Begeisterung der zwanziger Jahre ironisch aufs Korn nimmt, sieht man ihr diese Üppigkeit gerne nach.Der geistreiche Klamauk um die schulmädchenhaft spröde Prinzessin von Miami (Elke Sauermann), die dem Charme des Arbeiters Jim (Achim Peters) erliegt, schwelgt schließlich auch musikalisch -- in Jazz und Unterhaltungsmusik der Zeit, mit Kino-Orgel und Herren-Sextett.Man schließt mit einem absurden Nonsense-Sketch und einer aktualisierten Fassung der "Witwe von Ephesus" nach Petronius, die einen wegen Arbeitslosigkeit Verurteilten vor dem Galgen rettet.Die Hanns Eisler Hochschule beweist mit diesem erfrischenden Abend nicht nur die hohe Qualität ihres jungen Ensembles, sondern auch ihren Innovationsgeist, der Berlin zu einem neuen Blick auf den unerwartet vielschichtigen Hartmann verhilft. Saalbau Neukölln, weitere Aufführungen: 21.bis 23.Mai, jeweils 20 Uhr.

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