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Der Meistersinger. Wolfgang Wagner spielt Hermann Prey während einer Probe in Bayreuth 1981 die Rolle des Sixtus Beckmesser vor.

© Wilhelm Rauh, Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung

Schau zum Bayreuther Festspielchef: Wolfgang Wagner kämpfte für die Kunst - und tabuisierte die Familiengeschichte

Ein halbes Jahrhundert leitete Wolfgang Wagner die Bayreuther Festspiele. Eine Schau beleuchtet seine Ära. Leider bleibt sie überwiegend unkritisch.

Hemdsärmelig steht er da, mit lässig angewinkeltem Spielbein, die Füße in Slippern. Freundlicher Typ, jovial, fast cool. Auf anderen Fotos beugt sich Wolfgang Wagner, der die Bayreuther Festspiele von 1951 bis 2008 leitete, über Abrechnungen. Hier singt er Hermann Prey mit Mandoline im Arm das Beckmesser-Ständchen vor, dort trägt er Hausmeister-Kittel, tanzt im Büro, schleppt Farbeimer auf die Bühne. Um es auf Oberfränkisch und mit Museumsdirektor Sven Friedrich zu sagen: Wolfgang Wagner war der „Braggdigger“ auf dem Grünen Hügel, ein Praktiker durch und durch.

100 Jahre wäre der jüngste Enkel des Komponisten am 30. August geworden, der mit 57 Jahren Bayreuth wohl noch immer den Intendanten-Weltrekord hält. Zum Jubiläum präsentiert das Bayreuther Richard-Wagner-Museum in seinem 2015 eröffneten Anbau eine Ausstellung zu Leben und Werk des Theaterleiters, Regisseurs und Bühnenbildners (Richard-Wagner-Museum Bayreuth, bis 3. November) – nicht ohne zu betonen, dass es sich um eine erste Annäherung handelt. Für eine abschließende Bewertung sei es zu früh. Wagner starb 2010, mit 90 Jahren.

Und es stimmt ja, er ist noch sehr präsent, dieser Mann, der die Festspiele so lange, stur und mit Erfolg in Alleinregie führte. Und der bei der Nachfolgeregelung erst einlenkte, als seine zweite Frau Gudrun gestorben war und Tochter Katharina, die „Wunschmaid“, Chefin werden konnte, zunächst an der Seite ihrer Halbschwester Eva Wagner-Pasquier.

Ein Bayreuther Widerspruch

Nach dem Krieg hatte Wolfgang W., der wie seine Geschwister und seine Eltern Siegfried und Winifred mit „Onkel Wolf“ Hitler per Du war, die Ärmel hochgekrempelt. Hatte Gelder aufgetrieben, Fördervereine gegründet und den ganzen Verwaltungskrempel erledigt, zunächst an der Seite seines mehr fürs Künstlerische zuständigen Bruders Wieland. Aber er hatte auch, nach dem entpolitisierten Neu-Bayreuth und Wielands Tod 1966, den Werkstatt-Gedanken im Festspielhaus installiert und hochpolitische, auch heiß umkämpfte Inszenierungen ermöglicht.

Das bleibt sein großes Verdienst – und im Werkteil der Ausstellung im Untergeschoss kann man es ansatzweise nachvollziehen, wenn auch nur anhand von Bühnenbildern, spärlichen Requisiten und den unvermeidlichen Kostüm-Vitrinen. Wolfgang Wagner holte Götz Friedrich und Harry Kupfer nach Bayreuth, er heuerte Patrice Chéreau für den „Jahrhundert-„Ring“ von 1976 an, Heiner Müller für „Tristan“ (1993), Werner Herzog für „Lohengrin“ (1990), Christoph Schlingensief mit seinem hellwachen „Parsifal“-Trip (2004) und zuletzt Stefan Herheim mit seinem Wahnfried-kritischen „Parsifal“ (2008). Und allen hielt er den Rücken frei, da konnten die Wagnerianer noch so toben. Netter Gag: die kleine Vitrine mit Anti-Chéreau-Trillerpfeife.

Aber Wolfgang Wagner, dieses konservativ-fränkische Urgestein, dessen Inszenierungen mittelmäßig blieben, war auch herrisch und selbstherrlich, er tabuisierte die Familiengeschichte. Nicht nur seiner Mutter Winifred erteilte er Hausverbot, sondern auch dem Filmemacher Hans Jürgen Syberberg, nachdem Winifred vor dessen Kamera ihrer ungebrochenen Hitler-Liebe Ausdruck verliehen hatte, 30 Jahre nach Kriegsende. Dass der Bann beiden galt, belässt die Ausstellung im Vagen, und das Hausverbot für den kritischen Wieland-Sohn Gottfried wird gar nicht erst erwähnt. Den mutigen Intendanten und den autokratischen Hausherrn, der die Vergangenheit unter den Teppich kehrt: Diesen Widerspruch wünschte man sich deutlicher dargestellt.

„Der Alte“ ließ sich von Schlingensief für eine schwarze Kundry gewinnen

Den Prinzipal haben sie ihn genannt (und so heißt auch die Ausstellung), den Patriarchen oder „Der Alte“. Das patriarchale Prinzip prägt auch den von Schrifttafeln dominierten Ausstellungsparcours. Im biografischen Teil kommt vor allem der Geehrte selbst zu Wort, flankiert von einer Zeitleiste mit Adenauer-, Brandt-, RAF- und Mauerfall-Reminiszenzen. Ein Eigenzitat von 1990 lautet: „Es war noch nie ein Familienunternehmen. Es war stets nur einer dafür verantwortlich.“ Auch sein Orakel am Ende eines Nachfolge-Familienrats, „dass natürlich jeder nicht in Frage kommt“, kündet unmissverständlich von Hybris. Hinzu kommen besagte Porträtfotos aus dem Hügel-Alltag, die meisten von Stefan Moses. Und TV-Interviews. Die sind leider nur zu verstehen, wenn man das Ohr an die Bildsäule legt.

Eine der wenigen Ausnahmen ist das Video mit Christoph Schlingensiefs Erinnerung an die „Parsifal“-Proben. Wolfgang Wagner wollte ihm die schwarze Kundry ausreden. Als Schlingensief ihm aber zeigte, dass Richard W. persönlich Kundry als dunkelhäutig ausgewiesen hatte, als Afrikanerin, gab er sofort nach. Worauf Ehefrau Gudrun schimpfte, oben auf der Treppe. Wolfgang Wagner rief nur ein ratloses „Was soll ich denn machen?“ in die Höhe. Auch Achselzucken kann gut für die Kunstfreiheit sein.

Bei der Ausstellungseröffnung meinte Katharina Wagner zur Verschmelzung von Institution und Person: „Er selbst hat sich nicht in seiner Bedeutung ‚gesonnt‘, für ihn war das alles der Normalzustand seiner Existenz.“ Ein Satz, der den widersprüchlichen Charakter ihres Vaters wenigstens ein bisschen erhellt. Nichts gegen die Vorläufigkeit einer ersten Bestandsaufnahme zur Ära Wolfgang Wagner. Warum sie aber so viel Selbstdarstellung und so wenig differenzierte, auch kritische Stimmen enthält, bleibt ein Bayreuther Geheimnis.

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