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Während im nördlichen Teil des Pergamonmuseums (links und Mitte) gebaut wird, ist der Südflügel (rechts) für Besucher geöffnet.

© BBR / Peter Thieme

Sanierung des Pergamonmuseums in Berlin: Das kostbare Tageslicht

Für mehr als 700 Millionen Euro entsteht das immer wieder geflickte Gebäude in technischer Hinsicht neu. Bauabschnitt A feiert am Freitag Richtfest.

Nach alter Sitte wird der Richtkranz aufgezogen, wenn der Dachstuhl „gerichtet“ ist, das Dach selbst aber noch nicht eingedeckt – und das Gebäude selbst im Rohbau „steht“. Richtfest wird diesen Freitag am Pergamonmuseum gefeiert, genauer gesagt: am Bauabschnitt A der Rekonstruktion. Gewiss, das Pergamonmuseum gibt es seit 1930, es hat schwere Kriegszerstörungen überstanden und ist mehrfach repariert worden. Repariert, aber nicht von Grund auf saniert – und noch nicht einmal fertiggestellt, denn als 1930 die Bauarbeiten abgeschlossen wurden, fehlte der Quertrakt, der die beiden Seitenflügel entlang des Kupfergrabens hätte verbinden sollen.

Im Zuge der Sanierung aller Bauten der Museumsinsel wurde im Jahr 2000 ein Architekturwettbewerb zur Sanierung und Vollendung des Pergamonmuseums veranstaltet. Ihn gewann der Kölner Oswald Mathias Ungers, ein Vertreter des strengen Rationalismus und berühmt dafür, alle seine Bauten auf das Quadrat zurückzuführen.

Jetzt, 19 Jahre später, nimmt sein Entwurf allmählich Gestalt an. Um das Pergamonmuseum – das in Wirklichkeit weit mehr als nur den namengebenden Altar birgt, sondern drei Museen und ein ganzes Kompendium der Baukunst von Babylon bis zum frühen Islam – während der Bauzeit nicht gänzlich schließen zu müssen, wurde die Aufgabe in zwei Abschnitte geteilt. Deren erster umfasst den mittleren Trakt mit dem Pergamonaltar sowie den linken Flügel – insgesamt 37.500 Quadratmeter Bruttogrundfläche –, der zweite, kleinere den rechten Flügel und den künftigen Querflügel.

Bei der Sanierung droht eine Verzögerung von 19 Monaten

Natürlich mussten schon beim ersten Bauteil erhebliche Vorleistungen für den zweiten Teil erbracht werden, ersichtlich unter anderem an den Stützen, die an der Vorderkante des Hofes aus dem Boden ragen. Sie werden in Zukunft den Verbindungsflügel tragen. Ein Großteil der ausgeführten Arbeiten wird nicht sichtbar  bleiben – wenn das Pergamonmuseum, wie ursprünglich geplant, 2023 ganz wiedereröffnet werden kann, wahrscheinlicher jedoch erst nach einem „Puffer“ von weiteren 19 Monaten im Jahr 2025.

Nicht sichtbar sein wird vor allem das Dach. Aufwändige Glasdächer, das größte über dem Pergamon-Saal, gaben dem Museum und den ursprünglich im Freien stehenden Architekturmonumenten Tageslicht. Das soll so bleiben; auch wenn heutige Sehgewohnheiten eine größere Lichtstärke verlangen, als sie der Berliner Himmel das Jahr über bieten kann. Grundsätzlich wird also Kunstlicht hinzugefügt werden; wie übrigens in nahezu allen „Tageslichtmuseen“, die sich mit diesem Begriff schmücken.

Nach Rückbau der Arbeitsplattform und Teilen der Einhausungen ist im Hellenistischen Saal das Konzept des Tageslichtmuseums bereits wieder erlebbar.
Nach Rückbau der Arbeitsplattform und Teilen der Einhausungen ist im Hellenistischen Saal das Konzept des Tageslichtmuseums bereits wieder erlebbar.

© BBR / Peter Thieme

Kein Besucher wird künftig sehen, wie kompliziert die Ersetzung der bisherigen, maroden Dächer durch solche nach heutigen energetischen Erfordernissen war – weil die Monumente des Museums  nicht ausgebaut werden konnten, sondern im Gegenteil ihr Verbleib in den Räumen, mitten in der Baustelle eine Fülle an Vorsichtsmaßnahmen erforderlich machte, angefangen mit hochsensiblen Messinstrumenten sogar an den Skulpturen des Pergamon-Frieses, die jede Erschütterung, jede „Schwingung“ registrieren und entsprechende Signale geben. Oft musste dann, erklärte die Bauleitung bei der Vorbesichtigung des Gebäudes am Dienstag, zu kleinerem Werkzeug gegriffen werden, um die notwendigen Bauarbeiten zumal für die Haustechnik durchführen zu können.

477 Millionen Euro kostet allein der Bauabschnitt A. Petra Wesseler, Präsidentin des federführenden Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, zeigt sich zuversichtlich, den Kostenrahmen einzuhalten. Über die Kosten des Bauabschnitts B mochte sie sich nicht äußern. Die müssen erst im Zuge der Erstellung der „Haushaltsunterlage Bau“ präzisiert werden, die den Haushältern des Bundestages als Entscheidungsgrundlage für die endgültige Zustimmung zum Weiterbau vorgelegt wird. Die Schätzungen gehen aber von einer Kostenverteilung zwischen beiden Bauabschnitten von zwei zu eins aus, was für den Bauabschnitt B weitere 250 Millionen Euro bedeutet. Die bereits kolportierte Milliarde für die gesamte Museumssanierung wies Wesseler zurück.

Es wimmelt noch von Stützgerüsten

Unterm Dach lässt sich der materielle Aufwand erahnen. Es wimmelte und wimmelt immer noch von Stützgerüsten, für die allein 700 Tonnen Stahl benötigt wurden; solchen zur Entfernung der alten Drahtglasdecke, solchen zur Einbringung der Stahlträger für das neue, mehrfach schwerere Dach mit Isolierglasscheiben, durch die der Energieverbrauch des bislang praktisch nicht isolierten Gebäudes deutlich heruntergefahren wird. Dass die Erfordernisse des Klimaschutzes, die für öffentliche Baumaßnahmen bereits bindend sind, fallweise mit dem Denkmalschutz kollidieren, leuchtet nicht allen Beobachtern ein. Das Ringen zwischen Denkmalschutz und heutigen Erfordernissen – Barrierefreiheit sei als weiteres großes Thema erwähnt, ergo Aufzüge überall – führt zu Kompromissen, die nicht immer zu vermitteln sind – so, wenn sich der partielle Denkmalschutz eben auf so erbarmungswürdige Bauteile wie die in den zwanziger Jahren zusammengenieteten Zwischendecken erstreckt, die im Endausbau naturgemäß unter einer abgehängten Sichtdecke verschwunden sein werden.

Im künftigen Mschatta-Saal für das frühislamische Wüstenschloss wird es gar die Simulation einer Tageslichtdecke geben. Sie sieht optisch genauso aus wie die tatsächlichen Tageslichtdecken. 2500 Quadratmeter Lichtdecken, 5300 Quadratmeter Glasdächer wurden bislang verbaut. Das wirft die ketzerische Frage auf, ob es beim heutigen Stand der Lichttechnik nicht möglich gewesen wäre, auf die aufwändigen Lichtdecken ganz zu verzichten und sie durch eine Kunstlichtregie zu ersetzen, die den Verlauf des Tageslichts unter wechselnden Wetterbedingungen nachstellt. Durch das Milchglas der neu eingezogenen Decken wird man das Spiel der Wolken ohnehin nicht verfolgen können.

Simulation des Innenraums des Tempiettos: Die Freitreppe führt auf die Hauptausstellungsebene.
Simulation des Innenraums des Tempiettos: Die Freitreppe führt auf die Hauptausstellungsebene.

© ART + COM

Noch etwas ist im Rohbau sichtbar: der künftige, „Tempietto“ genannte Eingangspavillon. Er folgt typologisch dem Eingang, der zusammen mit der Kupfergrabenbrücke zu DDR-Zeiten Anfang der 1980er Jahre errichtet wurde und dem Komplex erstmals einen zentralen Eingang verschaffte. Der Ungers’sche Tempietto bildet die gläserne Hülle einer mächtigen Treppe, die vom Niveau des Innenhofes in den Pergamon-Saal führt. Darf man das Fehlen von Kassen- und Garderobenbereichen - für die die James-Simon-Galerie als zentrales Eingangsgebäude der Insel erbaut wurde - als Andeutung eines künftig "freien Eintritts" verstehen?

Erstmals wird ein vollständiger Rundgang durch den Gebäudekomplex möglich

Mit dem Verbindungsgebäude, auf Stützen über der Kupfergraben-Kante des Innenhofes gestellt, wird erstmals ein vollständiger Rundgang durch den Gebäudekomplex möglich sein. Was bislang fehlt, wird dann in dieser „Vitrine“ schon von außen zu sehen sein: ägyptische Baumonumente wie das Kalabsha-Tor und die Säulen vom Tempel des Sahure. So ergibt sich ein reizvoller Rundgang durch 3200 Jahre Baugeschichte des mittelmeerischen und vorderasiatischen Großraumes, von Alt-Ägypten bis Babylon, von Griechenland bis zum frühen Islam.

Die Monumente werden sich künftig vor weißen, leicht bläulich schimmernden Wänden abheben, wie einst vom Archäologen Theodor Weigand vorgegeben, und nur im Schlüter-Saal, den der große Museumsdirektor Wilhelm von Bode einst für Skulpturen seines hier untergebrachten „Deutschen Museums“ hatte gestalten lassen, werden Gewölbe und ein Bodenbelag aus rotem Mainsandstein diese Sonderform inmitten der kühl-rationalen Raumfolge des Ungers-Entwurfs erahnen lassen.

Oswald Mathias Ungers zählt zu den großen Baumeistern des Museumsbooms der 1980er Jahre, mit Entwürfen für Frankfurt, Hamburg, Köln und in Berlin der Erweiterung des Hamburger Bahnhofs. Er starb 81-jährig 2007. Sein Museumsinsel-Entwurf wird nun unter Federführung von Jan Kleihues ausgeführt, der selbst nicht aus dem Büro Ungers hervorgegangen ist, wohl aber den rationalistischen Grundimpuls mit Ungers teilt, wie an seinem Entwurf des Riesenkomplexes für den BND im Norden der Berliner Innenstadt ersichtlich.

Am Wochenende gibt es geführte Baustellenbesichtigungen

Die Besichtigung der Baustelle Pergamonmuseum zeigt, dass die enge Abstimmung mit der Denkmalpflege, auch wenn sie zu einigen wunderlichen Lösungen führt, das Erbe des auf den allzu früh verstorbenen Erst-Entwerfer Alfred Messel und das Jahr 1907 zurückgehenden, damals revolutionären Pergamonmuseums sowohl bewahrt als auch an heutige Bedürfnisse anpasst. Die technischen Verbesserungen hinsichtlich Klimatisierung, Energiebilanz, Sicherheit stellen dabei eher eine komplette Neuausstattung innerhalb der alten Hülledar. Alles zusammen aber macht die Baukosten verständlich, die auf den ersten Blick schockierend hoch wirken. Dass die Öffentlichkeit, dass der Steuerzahler von der noch 2006 verkündeten Aussicht, die ganze Museumsinsel für zwei Milliarden Euro zu sanieren, mittlerweile Abschied genommen hat, darf man unterstellen.

Am kommenden Wochenende ist Gelegenheit, in geführten Besichtigungen in den Rohbau zu schauen (Anmeldung: www.smb.museum/richtfestPM). Und mit eigenen Augen zu sehen, was das Bauen im Bestand so teuer macht. Und so aussichtsreich, wenn man erahnt, was Ungers und seine Nachfolger für den fertiggestellten Bau vorausgesehen haben.

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