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Barenboim und Benjamin Attahir, einer der letzten Schüler von Pierre Boulez.

© Stefan Maria Rother

Saisoneröffnung Pierre Boulez Saal: Morgendämmerung

Saisoneröffnung im Pierre Boulez Saal – mit der Uraufführung „Al Fajr“ von Benjamin Attahir. Das Stück hat das Zeug zum Publikumsrenner.

Der Boulez Saal eröffnet seine Saison mit Mozart. Gähn? Abgesehen davon, dass Mozart nie gähn ist: Das Trio Es-Dur KV 498 für Klarinette, Viola und Klavier ist es ganz besonders nicht. Wie sich die Klangfarben der Instrumente mischen! Während die lyrische Klarinette von Tibor Reman und die markant-beherzte Viola von Yulia Deyneka die Sätze mit verführerisch warmen Tönen regelrecht auspinseln, sorgt Daniel Barenboim am Klavier für solides Fundament. Ein programmatischer Auftakt, weil er, wie der neue Saal, das Disparate, weit auseinander Liegende zusammenbringen möchte.

Und das geht gleich so weiter, mit Ravels überschwänglichem Jugendstück „Introduction et Allegro“ für Harfe, Flöte, Klarinette und Streichquartett. Solist Stephen Fitzpatrick ist mehrfach exponiert: durch das Podest, die am jungen Nigel Kennedy orientierten Punkerfrisur und sein Spiel, das ungewöhnlich metallisch und hart ist und alle Illusionen über die Harfe als poetisches Instrument als ebensolche entlarvt.

Benjamin Attahirs Werk ist voller Dynamik und Optimismus

Dem Früh- schließt sich umstandslos ein Spät-, oder besser: letztes Werk an. Schütter und erschütternd zugleich ist der aufs Äußerste reduzierte Tonsatz in Schostakowitschs Sonate für Viola und Klavier, wenige Wochen vor seinem Tod komponiert: zerfallende Musik. Drei Mal ist das Tempo „morendo“, ersterbend gefordert. Yulia Deyneka und Daniel Barenboim spielen es auch genau so, als nach innen gekehrtes Abschiedswerk, das sich gleichwohl zum Ende hin ins helle, lichte C-Dur wendet.

Das schafft eine schöne Brücke zu der eigens für diesen Abend geschriebenen Uraufführung von Benjamin Attahirs „Al Fajr“ (arabisch für „Morgendämmerung“). Jetzt ist Schluss mit Kammermusik, rund 20 Musiker des Boulez Ensembles sind versammelt, mit Barenboim am Pult und Giuseppe Guarrera als Klaviersolist. Attahir, geboren 1989, gehörte zu Pierre Boulez’ letzten Studenten. Sein Stück ist multireligiös und um Motive herumgebaut, die von den Rufen des Muezzins, den Gesängen osteuropäischer Juden oder gregorianischen Chorälen inspiriert sind. Man hört das nicht unbedingt, aber man erlebt ein Werk voller Dynamik und Optimismus, getragen vom motorischen Drive des Streicher- und Bläserteppichs, mit markanten, glockenhaften Akzenten des Klaviers. Schönste Erkenntnis: Es gibt sie also, die zeitgenössische Musik, die das Zeug zum Renner beim Publikum hat.

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