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Meister der großen Oper. RSB-Chef Vladimir Jurowski.

© Simon Pauly

Saisonauftakt des Rundfunk-Sinfonieorchesters: Vladimir Jurowski dirigiert Richard Strauss

"Frau ohne Schatten": eine konzertante Aufführung der Oper in der Philharmonie.

Richard Strauss ist die Inkarnation einer eigenen Epoche. So begegnet uns der blühende Wohlklang seiner „Frau ohne Schatten“ beim „Musikfest Berlin“, das den Akzent auf Hector Berlioz legt. Beide Komponisten verbindet die „Instrumentationslehre“ des Franzosen, die Strauss 1904 aktualisiert hat. Wohin die Bewunderung des großen Vorgängers aus Frankreich das Genie moderner Orchesterfarben geleitet hat, zeigt eine konzertante Aufführung der Oper in der Philharmonie. Es ist der opulente Saisonauftakt des Rundfunk-Sinfonieorchesters mit seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski.

„Es haust kein Geisterkind ungestraft unter den Menschen“, steht in der Handlungsskizze Hugo von Hofmannsthals zu dem Werk. Und in einem Brief an den Komponisten, dass es eine „unendlich schwierige Sache“ sei. Was ist das für ein Thema, das die beiden Künstler während des Ersten Weltkriegs in Atem hält?

In einem fernen Märchenland verliebt sich die Tochter des Geisterfürsten Keikobad in einen Menschen. Er ist der Höchste der Sterblichen, nämlich der Kaiser der südöstlichen Inseln. Aus der Gazelle, die er als Jäger schießt, wird die Kaiserin. Und der Lieblingsfalke des Kaisers weint: „Die Frau wirft keinen Schatten, der Kaiser muss versteinen.“

Mit Leidenschaft und Feingefühl

Runde vier Stunden erstreckt sich, was die Oper aus dieser märchenhaften, mythologisch untermauerten Exposition macht. Wie Fischlein aus der Pfanne ertönen die Stimmen ungeborener Kinder. Denn verhandelt wird das Zentralsymbol des Schattens als Ausdruck der Mutterschaft und Menschlichkeit.

Jurowskis Interpretation macht die Szene entbehrlich. Mit Leidenschaft und Feingefühl verteidigt er die berauschende Partitur. Großes Orchester, Klarinetten mit Bassetthorn, Tenortuben, zwei Harfen, Celestas, Trompeten und Posaunen. Das RSB zeigt sich in Hochform, entdeckt, dass die Musik neben süffiger Tonalität Stellen von unwahrscheinlicher Kühnheit enthält.

Bezüglich der Sängerbesetzung ist es eine Oper der Tausend. Das Färberpaar, das mit dem Kaiserpaar ein magisches Quadrat bildet, verkörpert gelebte Armut. Ricarda Merbeth, in der Rolle der Frau versteht sich darauf, zickige Schimpfkanonaden blendend in kantable Höhen zu treiben.

Thomas J. Mayer vertritt als ihr Mann Barak in warmen Kantilenen die Güte selbst. Als Kaiserin strahlt Anne Schwanewilms. Ihr Kaiser, in seiner Rolle Jäger und Verliebter, ist mit unerschütterlichem Tenor Torsten Kerl. Zwischen allen agiert die mephistophelische Amme, dank Ildikó Komlósi eine Zauberin mit wunderbarem stimmlichen Ambitus und glänzender Diktion.

Hofmannthal hat nichts Schöneres gedichtet

Ein Ensemble aus Spitzenkräften in vielen, auch kleinen Rollen. Man stelle sich Jens Larsen als einen der tölpischen Brüder Baraks vor: mit Christoph Späth und Tom Erik Lie bildet er ein fabelhaftes Trio. Stimmen ohne Zahl, darunter der Rundfunkchor und der imposante Kinderchor der Staatsoper Unter den Linden.

Strauss meinte, dass Hofmannthal in seinem Leben nichts Schöneres gedichtet habe. Verehrer des jungen Hofmannsthal, der frühgereift und zart und traurig war, oder des „Rosenkavalier“ dürfen daran zweifeln. Aber es gibt auch in diesem Text Stellen, die zu Herzen gehen.

Dem musikalischen Ruf des Falken wie der Schwärmerei von der weißen Gazelle ist schwer zu entkommen. Hochtrabendes Forte herrscht vor. Aber „im Walde, Mondlicht zwischen den Bäumen“ entfaltet sich im leisen Orchester ein Gesang des Solocellos: Das sind Momente, in denen der Operndirigent Jurowski zum Kammermusiker wird. Die Virtuosität im Orchester steht dafür, dass Strauss mehr ist als der beflügelte Rest der tonalen Musikkultur: ein Schatz als Resultat künstlerischer Freiheit.

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