zum Hauptinhalt
Sofia Portanet, 30, kam in Kiel zur Welt, wuchs in Paris auf und wohnt seit zehn Jahren in Berlin.

© Lia Kalka

Sängerin Sofia Portanet im Porträt: Die Träume der Wanderratte

Chanson-Pop trifft New Wave: die Berliner Sängerin Sofia Portanet und ihr Debütalbum „Freier Geist“.

Latex, Leder und viel Glitzer – diese Musikerin ist eine Erscheinung. Vor allem in ihren nostalgischen Musikvideos, in denen Sofia Portanet auch gern in Hosenanzügen auftritt.

Für das Treffen im Graefekiez hat die 30-Jährige eine deutlich legere Kombination aus knallgelber Bluse und gestreifter Hose gewählt, ihre Haare hat sie zu einem Sixties-Dutt toupiert. Nicht nur modisch, auch musikalisch kombiniert sie die Gegenwart mit einer längst vergangenen Zeit.

Sie sang im Kinderchor der Pariser Nationaloper

Gerade ist Portanets Debütalbum „Freier Geist“ erschienen. Mit exaltierter Kopfstimme, gewagten Oktavsprüngen und einer dynamischen Instrumentierung gelingt ihr darauf ein opulentes Update des deutschsprachigen Chansons. Französische Einflüsse sind ebenso zu hören wie etwas Sixties-Schlager sowie sehr viel New Wave und Neue Deutsche Welle.

Die Songtexte lesen sich mitunter wie Gedichte. „Ich glaube an Nächte/ Menschen und Mächte/ Verlorene Herzen/ Gebrochene Helden/ Einsame Stunden / Suchende Blicke/ Wartende Träume/ Und leere Felder“, singt sie etwa in „Menschen und Mächte“. An anderer Stelle zitiert Portanet Zeilen von Rilke oder Heine. Sie schreibt und singt primär in deutscher, aber auch französischer und englischer Sprache.

Vor zehn Jahren ist die Künstlerin nach Berlin gezogen. Geboren in Kiel am Tag des Mauerfalls wächst sie in Paris in einem spanisch-deutschen Haushalt auf. Sie besucht eine deutschsprachige Schule und wird mit 13 in den Kinderchor der Nationaloper aufgenommen, mit dem sie durch die Welt tourt.

Nebenbei startet sie mit Freundinnen eigene Musikprojekte. „Ich habe viel Soul gesungen. Aretha Franklin, Ella Fitzgerald, Nina Simone. Auch Jazz-Sachen habe ich nachgesungen. Das waren noch nicht mal Idole, weil mir das alles nicht klar war“, erinnert sich die Sängerin. Sie hat einen breiten Musikgeschmack: Eine Gruppe wie DAF inspiriert sie genauso wie Hildegard Knef, die peruanische Sopranistin Yma Sumac und der spanische Flamenco-Sänger Camarón de la Isla oder die Flamenco-Pop-Sängerin Rosalía.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Idee für ihr Soloprojekt entstand erst in Berlin, genauer genommen in der Graefestraße. Hier bezog Portanet ihre erste Berliner Wohnung. Vor fünf Jahren begann sie dort mit ihrem Kreativ-Partner Steffen Kahles, an ersten Songideen zu arbeiten. Kahles ist eigentlich Filmmusik-Komponist, kennengelernt haben sich die beiden durch die Berliner Krautrock-Band Camera.

Portanet war als Gastsängerin dabei, Kahles spielte in der Originalbesetzung. „Freier Geist“ haben die beiden gemeinsam komponiert und produziert. Es erscheint auf dem britisch- deutschen Indie-Label Duchess Box Records, das fest in der Berliner Underground-Szene verankert ist. Neben Portanet ist dort auch das Garagenrock-Duo Gurr unter Vertrag.

Nach mehreren Umzügen wohnt Portanet jetzt in Neukölln

Vor einigen Jahren wurde Portanet Teil der Szene um die 8MM-Bar. Der Zufall führte sie in einer durchzechten Nacht in die Bar am unteren Ende der Schönhauser Allee. Im benachbarten – mittlerweile geschlossenen – Bassy Club besuchte sie ein Konzert von Freunden, die Aftershow-Party fand in der Bar statt, wo sie erste Kontakte knüpfte.

Später lernte sie dort ihren Labelmanager kennen. „Man kommt an, guckt sich die Leute an und hat leicht das Gefühl, man ist in einer Parallelwelt oder anderen Zeitzone. Es sind so verschiedene Typen. 60er Jahre, 70er Jahre, Gothic, Post-Punk, Punks, voll die Hippies. Es ist ein bisschen wie eine kleine Bühne und jeder zieht eine Show ab, was ja sehr unterhaltsam sein kann“, beschreibt Sofia Portanet die Atmosphäre der 8MM-Bar.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Das Album ist an verschiedenen Orten in Berlin entstanden. Die Bandproben fanden in Lichtenberg statt, aufgenommen wurde sowohl bei Portanet zu Hause – sie wohnt nach mehreren Umzügen mittlerweile in Neukölln – als auch in professionellen Tonstudios. Die Arbeit am Album sei ein sehr intensiver Prozess gewesen, erzählt Portanet.

Ein Jahr lang habe sie ununterbrochen an „Freier Geist“ gearbeitet, den Titel „Menschen und Mächte“ erst zwei Monate vor Albumabgabe zu Ende geschrieben.

[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über Berlins wichtigste Nachrichten und größte Aufreger. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]

Seit vor zwei Jahren die erste Single „Wanderratte“ erschienen ist und Portanet viel versprechende Demos im Netz veröffentlichte, stiegen die Erwartungen an die Sängerin, die vom britischen Radiosender BBC 6Music sogar schon zu „Germany’s next big popstar“ erklärt wurde.

Jetzt hat die Coronakrise ihre Pläne durcheinandergebracht. Wie so viele ihrer Kolleginnen und Kollegen stand sie vor der Frage, die Albumveröffentlichung zu verschieben. Doch sie entschied sich dagegen – und gegen Livestreams im Lockdown. „Ich musste erstmal die Enttäuschung verdauen, dass wirklich alles abgesagt wurde. Da hat man auch nicht wirklich sofort die Lust, sich vor eine Kamera zu stellen und Streaming zu machen“, sagt sie.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Mittlerweile sind die Maßnahmen gelockert, und Sofia Portanet freundet sich langsam mit der neuen Situation an. Kurz nachdem „Feier Geist“ erschienen ist, hat sie ein kleines Konzert im Garten des Frannz Clubs gegeben. Für den von Radio Eins veranstalteten Abend studierten Portanet und Band ein Akustik-Set ein. Ihre sonst verspielt- elektronischen Songs wurden nur von zwei Gitarren und ihrer Stimme getragen – der perfekte Sound zum Ausklang eines lauen Sommerabends.

Nibelungen-Projekt an der Deutschen Oper Berlin

Auch wenn Konzerte in den nächsten Monaten wohl nur im kleinen Rahmen und unter freiem Himmel stattfinden werden, hat Portanet eine kreative Perspektive: Sie wird im Januar nächsten Jahres einen eigenen Abend mit dem Titel „Aus dem Hinterhalt“ an der Deutschen Oper kuratieren.

Dafür hat sie ein Stipendium erhalten und wird zusammen mit dem Ensemble, den künstlerischen Leitern, ihrem Kreativpartner Kahles und ihrer Band einen Teil des „Ring der Nibelungen“ gestalten. Die Zukunft der zielstrebigen Sängerin wird also mindestens genauso spannend wie ihre Ouvertüre.
„Freier Geist“ ist bei Duchess Box Records erschienen.

Louisa Zimmer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false