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Mag es klassisch. Kulturmanagerin Sabine Lovatelli.

© Mozarteum Brasileiro

Sabine Lovatelli in Brasilien: Kämpferin für klassische Musik

Nicht nur für die Eliten: Seit Jahrzehnten fördert die Deutsche Sabine Lovatelli die klassische Musik in Brasilien.

Die Grande Dame der klassischen Musik in Brasilien ist eine Deutsche. Sabine Lovatelli kommt mit federndem Schritt über den makellos gemähten Rasen. Es ist 13 Uhr, und die tropische Mittagssonne sticht herab. Die 70-Jährige lässt sich davon nicht bremsen. Sabine Lovatelli ist seit fast 40 Jahren auf einer Mission und die lautet: die Klassik in Brasilien bekannter zu machen. Deswegen ist sie gerade im Touristenort Trancoso im Süden Bahias. 2012 hat sie hier das Festival Música em Trancoso ins Leben gerufen. Es ist ein Ableger ihres Lebenswerks, des Mozarteum Brasileiro in São Paulo.

„Brasilien ist ein unglaublich musikalisches Land, aber die klassische Musik hat aus historischen Gründen keine Tradition“, sagt Sabine Lovatelli. Darum hat sie 1981 das Mozarteum gegründet. Dabei spielt sie selber gar kein Instrument. Sie sagt: „Ich wollte einfach nur klassische Musik nach Brasilien bringen und ihr zuhören. Ich vermisste das hier.“ Lovatelli wurde 1948 in Jena geboren, wuchs aber in Hannover auf, wie man bis heute an ihrer entspannten norddeutschen Art merkt. Nach dem Studium lernte sie den brasilianischen Unternehmer Carlos Lovatelli kennen. 1971 zogen sie gemeinsam nach São Paulo.

„Ich hatte keine Ahnung, wie man so etwas macht", erinnert sie sich an die Anfänge des Mozarteum Brasileiro. „Ich machte es einfach.“ Als erstes startete sie die Serie „Konzerte am Mittag“, die bis 1995 wöchentlich Gratiskonzerte in São Paulos Kunstmuseum MASP präsentierte. Die Veranstaltung wurde zu einer Art Institution in São Paulo. „Ich war mit meiner Sehnsucht nach Klassik offenbar nicht alleine“, sagt Lovatelli.

Internationale Gastmusiker für Masterclasses

Im Jahr 2000 entwickelte sich das Mozarteum, das sich vorwiegend über Firmenspenden trägt, entscheidend weiter. Man begann brasilianische Talente zu fördern, internationale Gastmusiker wurden für Masterclasses engagiert. Macht ein junger Musiker dort besonders auf sich aufmerksam, erhält er ein Studienstipendium in Deutschland, etwa beim Schleswig-Holstein Festival oder bei der Sommerakademie des Collegium Musicum Schloss Pommersfelden in Bayern.

Einer der in Pommersfelden dabei war, ist der Kontrabassist Júlio Nogueira. Man muss erlebt haben, mit was für einer Hingabe der 30-Jährige spielt. „Das Mozarteum hat mir einzigartige Entwicklungsmöglichkeiten gegeben“, schwärmt er. „Nicht nur musikalisch, sondern auch persönlich.“

Privates Engagement zum Allgemeinwohl

Was Sabine Lovatelli bewirkt, kann man in Trancoso beobachten. Das Festival hat die Stadt positiv verändert. Jedes Jahr zwischen Karneval und Ostern kommen Tausende Besucher in den pittoresken Strandort im ansonsten recht armen Bundesstaat Bahia. Für die zusätzlichen Einnahmen sind die Hoteliers, Taxifahrer, Restaurantbesitzer unendlich dankbar. Viel wichtiger aber ist, dass das Festival Nachwuchsmusikern eine Chance zur Weiterentwicklung bietet. Denn sie proben hier mit hochkarätigen Solisten und Dirigenten aus Europa.

In diesem Jahr kamen unter anderen der Violonist Oscar Bohórquez und der Cellist Leonard Elschenbroich. Für das Festivalorchester werden 70 junge Musiker ausgesucht, hinzu kommen 60 Chorsänger. Die Lust, mit denen die Jugendlichen die klassischen Kompositionen auf einer Freilichtbühne präsentieren, verleiht der Musik ein völlig neues Leben. Es macht sie farbiger und mitreißender. „Es ist Klassik mit Hüftschwung“, sagt der deutsche Dirigent Wolfgang Roese, der schon zum dritten Mal dabei ist.

Der Dirigent Wolfgang Roese
Der Dirigent Wolfgang Roese

© Marcos Hermes

Sabine Lovatelli findet das auch. Sie setzt sich auf einen Hocker in der Bar gegenüber der Bühne. Lovatelli und ihr Mann haben hier eine Villa, so kam die Ortswahl zustande. „Ich wollte Trancoso etwas zurückgeben“, sagt sie. Finanziert hat den Bau ein guter Freund der beiden: Reinold Geiger, Chef der französischen Kosmetikfirma L’Occitane, die auch das Festival sponsert. Was hier stattfindet, ist privates Engagement zum Allgemeinwohl wie es Teile des europäischen Bürgertums seit dem 19. Jahrhundert praktizieren – und wie es unter Brasiliens Reichen unbekannt ist.

Klassik ist nicht nur etwas für die Reichen

Besonders wichtig für Lovatelli ist deswegen, dass das Festival kein Eliten-Event ist. Für die lokale Bevölkerung gibt es Sondertickets, in den Schulen werden Eintrittskarten gratis verteilt. Dort zeigen die Musiker den staunenden Kindern auch, wie eine Klarinette oder eine Tuba klingt. Zudem finden Konzerte auf öffentlichen Plätzen statt.

Der 14-jährige Gabriel Magalhães Santos aus Trancoso, Sohn eines Mechanikers und einer Köchin, hat es geschafft, mit seinem Cello im Festivalorchester zu spielen. Er ist der Jüngste im Ensemble. Das Instrument unterscheidet ihn von den meisten seiner Altersgenossen in Trancoso. „Die hören lieber den aggressiven Funk“, sagt er. Gabriel ist ein Paradebeispiel für die Chancen, die das Mozarteum Jugendlichen öffnet. Er weiß, dass es nicht viele Schwarze in der Klassikszene Brasiliens gibt. Aber es gibt ihm zusätzlichen Ansporn. „Viele glauben, dass die klassische Musik nur etwas für die Reichen ist“, sagt er. „Aber sie ist eine universelle Sprache. Man muss die Ehrfurcht vor ihr ablegen.“

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