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Rundgang in der Leipziger Baumwollspinnerei: Die Kunstszene hält zusammen, mit Erfolg

Viele sehenswerte Ausstellungen in der ehemaligen Leipziger Baumwollspinnerei mischen neue künstlerische Positionen mit Vertrautem. Ein Erfolgsmodell.

Was der Berliner Kunstszene häufiger abgeht, hat in Leipzig Tradition: der Zusammenhalt der Akteure. Die gemeinsamen Eröffnungen auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei geben ihnen Recht: Rund 12 000 Besucher drängelten sich zur Vernissage.

Zum Erfolg der 15 teilnehmenden Galerien dürfte wohl auch ihr Ausstellungskonzept beitragen, das neue künstlerische Positionen mit Vertrautem mischt. Als Gastgalerie zeigt die Aki Gallery aus Taipeh eine Fotoserie über Taiwans mobile Bühnen von Shen Chao-Liang. Und allein die Absolventenausstellung des Cusanuswerks in der Werkschau-Halle ist eine Reise nach Leipzig wert.

Kunst, die Spaß macht...

Den Hingucker liefert jedoch die Galerie she BAM!. Den winzigen Raum füllen Wandarbeiten der Guerilla Girls mit Zitaten von Männern über Frauen. Sehr poppig, sehr frontal. Trump-Sprüche dürfen natürlich nicht fehlen, doch auch Picasso sprach fließend misogyn: „Es gibt nur zwei Arten von Frauen: Göttinnen und Fußabtreter.“ Seit 25 Jahren besteht die feministische Gruppe, doch ihr Anliegen ist aktuell wie je.

Prägend für die Leipziger Kunstszene nach der Neuen Leipziger Schule ist Oliver Kossack, dessen oft textbasierte und konzeptuell aufgestellte Formensprache eher nach Los Angeles verweist. Jochen Hempel richtet ihm die erste Einzelausstellung nach fünf Jahren aus, und es macht Spaß zu sehen, dass Kunst auch Spaß machen kann.

Mit einem Augenzwinkern serviert Jochen Mühlenbrink seine formal an Trompe-l'oeil orientierten Arbeiten bei ASPN – seien es vermeintliche Klebeband-Bilder oder Fotos durch beschlagene Scheiben mit Fingerzeichnungen, die beide pure Malerei sind.

Eindeutigkeiten sind auch nicht die Sache von Stef Heidhues, die bei Eigen + Art Fragmente von Scheinarchitekturen und Pseudo-Mobiliar baut. Sympathisch ist hier nicht zuletzt die Preisgestaltung: Kleine Collagen sind für 1000 Euro zu haben, eine größere skulpturale Wandarbeit kostet 8000 Euro.

... und für jeden Geldbeutel

Mit kunsthistorischen Referenzen wie der eigenen Virtuosität im Einsatz künstlerischer Techniken spielt Adrian Buschmann in seiner ersten Ausstellung bei Tobias Naehring. Gewohnt schräg ist der Laden für Nichts, der aktuell Detlef heißt. Zu sehen gibt es auf den ersten Blick nichts außer ein paar Tischen und Sitzbänken – und einer Bar.

An einer Pinnwand können Besucher Anzeigen hinterlassen wie im Supermarkt, nur dass hier kaum etwas angeboten wird. Das meiste sind Gesuche: Menschen zur Gründung eines Lachkreises, Otter oder schlicht Gedanken. Einen Kommunikationsraum wolle er anbieten, erklärt Galerist Uwe-Karsten Günther. Die Form habe er bewusst offengehalten, um zu sehen, was sich entwickelt.

Bei genauem Hinsehen gibt es dann aber doch Kunst. An einer Wand hängen in größerer Höhe unappetitlich eingefärbte Fotografien von Würstchengläsern. Hinter der Bar breitet Rigo Schmidt Leonardos Abendmahl in eigenwilliger Interpretation auf Pappen aus; Petrus ist ein Bismarckhering, Johannes ein Broiler, Jesus selbst ein Butterbrot. Jedes Bildchen kostet 330 Euro, das Ensemble wird nur komplett abgegeben.

Kunst für jeden Geldbeutel, Kollegialität und ein offensichtliches Bemühen um ein breiteres Publikum machen den Spinnereirundgang zum Erfolgsmodell, der auch jenseits der Eröffnung Beachtung verdient.
[Leipziger Baumwollspinnerei, Spinnereistr. 7, www.spinnerei.de]

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