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Grandseigneur. Der amerikanische Starbariton Thomas Hampson.

©  Jiyang Chen

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: So klingt Musik ohne Augenzwinkern

Vladimir Jurowski und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin spielen Haydn, Mahler und Dean - und haben einen grandseigneuralen Thomas Hampson zu Gast.

Egal, ob er sich ans Publikum oder an seine Musikerinnen und Musiker wendet, ob er Stimme oder Taktstock dabei einsetzt – der Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin hat Wesentliches zu sagen. Vladimir Jurowski kann den Gehalt eines Werkes in einer Klarheit umreißen, die viele seiner Kollegen orientierungslos wirken lässt. In der Philharmonie konnte man nun mit Erleichterung feststellen, dass es auch etwas gibt, das selbst ihm schwerfällt.

Haydns „Abschieds-Sinfonie“ ist ein mit den Mitteln der Musik geführter Arbeitskampf: Der Kapellmeister des Fürsten Esterházy protestiert in ihr gegen die stetig wachsende Belastung seines Orchesters. Da wird im zweiten Satz vorgeführt, wie wenig inspiriert Dienst nach Vorschrift klingen kann, während sich das Podium im Finale immer weiter leert, bis die Sinfonie von zwei verbleibenden Streichern irgendwie zu Ende gebracht wird. Den auskomponierten Formen der Arbeitsverweigerung steht Jurowskis Furor einer plastischen Genauigkeit entgegen: Präzise formt er jedes Detail der stehend musizierenden kleinen RSB-Formation. Stumpfe Wiederholungen mit einem Augenzwinkern zu präsentieren, kommt ihm dabei nicht in den Sinn.

Jurowski verzichtet darauf, den Starbariton zu sticheln

Die unbedingte Ernsthaftigkeit seiner Lesart bläst auch den leisesten Anflug von Koketterie aus Mahlers „Rückert-Liedern“. Dabei hätte das grandseigneurhafte Auftreten von Thomas Hampson kleine Stiche durchaus vertragen können. Doch Jurowski trägt den Starbariton auf Händen, bahnt der aufgerauten Stimme großzügig den Weg durchs Orchestergeäst. Was Hampson inzwischen an balsamischem Strömen entbehrt, vermag er mit gesteigerter Intensität in „Um Mitternacht“ souverän aufzufangen.

Nach der Pause quillt die Bühne schier über: Der nationale Jugendchor Australiens ist angereist, der Rundfunkchor Berlin eingerückt, das RSB spielt in geballter Besetzung. Allein dieser gewaltige Klangapparat wäre schon Anlass für ein feines Lächeln, ganz zu schweigen vom Stück selbst: „Vexations and Devotions“ von Brett Dean, dem Composer in Residence des RSB, balanciert beherzt zwischen Profanem und Philosophischem, zwischen Anrufbeantworterschleife und Sinnverlust. Dabei bollert es mächtig durch die tiefen Register, klagt und spottet zugleich über Entfremdungsphänomene der Moderne. Dean ist sich sicher: Nur der Humor kann uns retten.

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