zum Hauptinhalt
Vladimir Jurowski ist seit 2017 Chefdirigent des RSB.

© Mike Wolff

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Inspiriert von Goethe und Lenau

Vladimir Jurowski und das RSB beeindrucken in der Berliner Philharmonie mit einem "Faust"-Programm.

„R. hatte keine gute Nacht und liest in Goethe und Schiller“, notiert Cosima Wagner am 28. Juni 1880. Aus ihren Tagebüchern von 1869 bis 1883 geht hervor, dass Goethe bei der Familie Wagner obenan steht. Er bereitet „Freude in der Bibliothek“, und am 22. März heißt es: „Frühlingsbeginn, Goethes Tod.“ Die Präsenz Goethes ist lesenden Menschen im 19. Jahrhundert selbstverständlich.

„Faust“-Vertonungen erklangen damals von Berlioz, Schumann, Wagner, Gounod und Liszt, und man kann sich vorstellen, dass ein Kritiker wie Hanslick Spaß an dem Geständnis findet, „musikalisch faustmüde zu sein“. So eröffnet ein sorgsam redigiertes Programmheft des Rundfunk-Sinfonieorchesters, in dem es um das Thema „Faust wagen“ geht. Die Vortragsfolge fesselt und begeistert das Publikum in der Philharmonie.

Faust ist kein Monopol Goethes

In d-Moll steht „Eine Faust-Ouvertüre“ von Richard Wagner, die beim RSB unter seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski mit kantabel ausmusiziertem Solo der Tuba beginnt. Es geht um einen Faust der großen Anspannung, dem das Dasein eine Last ist. Anders „Zwei Episoden nach Nikolaus Lenaus Faust“ von Wagners späterem Schwiegervater Franz Liszt. Lenau findet, „dass Faust kein Monopol Goethes“ sei, und Liszts Musik schildert, wie Faust auf Pilger trifft und Mephisto in einer Dorfschenke tanzt. Fromme Lieder und Teufelsgeiger: Das Orchester glänzt mit verführerischen Soli.

Wunderbare Holzbläsersoli

Mehr noch in den Charakterbildern von Liszts „Faust-Sinfonie“. Der Komponist sieht „Erneuerung der Musik durch ihre innigere Verbindung mit der Dichtkunst“ und zeichnet keine Handlung, sondern das Wesen von Faust, Gretchen und Mephisto. Faust hat viele Seiten, das heißt viele Themen, Gretchen dagegen ist immer lieblich, und aus dem RSB kommen wunderbare Holzbläsersoli, die Oboe voran. Deren Melodie wird delikat von der Bratsche umspielt, wenn sie aus dem Satz der Solostreicher hervortritt. Jurowski dirigiert liebevoll den Wohlklang der Musik, der sich aus Liszts Instrumentierung ergibt. Nach Beckenschlägen und drastischer Fuge des Mephisto-Satzes verkündigen die Herren des Rundfunkchors mit konzentriertem Ton: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.“ Hier tritt Stuart Skelton hinzu, um das „Ewig-Weibliche“ zu preisen. Er singt mit Stentor-Tenor am Ende eines empfindsam differenzierten Abends.

Zur Startseite