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Violinvirtuose Ray Chen

© Tom Doms

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Herbstwolken

Peter Ruzicka dirigiert Werke des Rumänen George Enescu beim RSB, Ray Chen ist der Solist in Max Bruchs G-Moll-Violinkonzert

Kann ein Künstler zu begabt sein? Genau das scheint die Tragik von George Enescu gewesen zu sein – als gefeierter Geiger, Pianist und Dirigent fand er nicht die Zeit, sein Potenzial auch kompositorisch voll zu entfalten. Höchste, vielleicht allzu selbstkritische Ansprüche bewogen Rumäniens größten Musiker dazu, viele Werke unvollendet zu lassen oder ganz zurückzuziehen.

Fragment blieb auch die vierte Sinfonie, für die Peter Ruzicka nun am Pult des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin beredter Fürsprecher ist. Das von Enescus Schüler Pascal Bentoiu vollendete Werk besticht in den ersten beiden Sätzen durch eine unruhige Gespanntheit, die melodisch-harmonisch schwer zu fassen ist, chromatisch eingefärbt an die Grenzen der Tonalität gehend und doch etwa mit der Schönbergschen Vorgehensweise keineswegs zu vergleichen. Die osteuropäisch-französische Mixtur findet andere Wege. Nach den schmerzlichen Kulminationen, in die auch der langsame Satz gespenstische Trommelrhythmen und unheimliche Bratschen-Fagott-Linien münden lässt, befremdet der beinahe manisch insistierende Dur-Schluss umso mehr.

So wie Enescu ist auch Peter Ruzicka ein Multitalent

Weniger Fragezeichen wirft „Nuages d’automne sur les forêts“ (Herbstwolken über den Wäldern) aus Enescus ebenfalls unvollendetem Zyklus „Voix de la nature“ auf, ein betörendes nachimpressionistisches Klanggemälde, dessen Abbruch nach acht Minuten seinem unablässigen, ziellosen Fließen entspricht.

Ruzicka, als komponierend-dirigierender Intendant ebenfalls ein Multitalent, stellt dem Enescu-Doppel seine eigene „Elegie“ voran. Diese „Erinnerung für Orchester“ basiert auf Richard Wagners letzter Skizze, dem nach seinem Wohnort benannten „Porazzi-Thema“. Das kurze Motiv, wie eine Umkehrung des „Tristan“-Beginns anmutend, erhebt sich immer wieder fragend aus irisierenden Streicherschichtungen, denen Flöten, Gongs und Vibraphon delikate Farben einziehen.

Max Bruchs 1. Violinkonzert erklingt zwischen so viel Gehaltvollem als leichtgewichtiger Ruhepol, virtuos aufgeschäumt durch den Solisten Ray Chen. Der junge Australier taiwanesischer Herkunft agiert charmant und publikumszugewandt, doch drängt er das Werk mit übertrieben schluchzendem Vibrato zurück in die Schublade „Kitschverdacht“, aus der andere Interpreten es erfolgreich befreit haben.

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