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Marek Janowski

© Felix Broede

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Drive & Dringlichkeit

Marek Janowski, dem RSB und dem MDR Rundfunkchor gelingen eine beeindruckende „Missa Solemnis“.

Der Countdown läuft: Das Alltagsgeschäft hat Marek Janowski bereits an seinen designierten Nachfolger Vladimir Jurowski abgegeben, am 31. Dezember wird er sich offiziell vom Rundfunk-Sinfonieorchester verabschieden, nach 14 höchst erfolgreichen Jahren.

Sieben Programme dirigiert er bis dahin noch, darunter eine konzertante Aufführung von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ am Tag vor Heiligabend. Seine Kompetenz im Bereich von Romantik und klassischer Moderne wird er einmal mehr mit Werken von Bartok, Bruckner, Hindemith, Strauss und Rachmaninow unter Beweis stellen. Und natürlich fehlt auch sein Hausgott Beethoven nicht: Beim 3. und 4. Klavierkonzert wird Yefim Bronfman der Solist sein, zum Jahresende gibt es, wie gewohnt, die Neunte.

Und am Mittwoch lag in der Philharmonie Beethovens „Missa Solemnis“ auf den Pulten. Ein gewichtiges, ein hochkomplex gearbeitetes Spätwerk des Komponisten, das bei falschem Zugriff leicht in weihevoller Gelehrsamkeit erstarrt. Doch Marek Janowski ist ein viel zu kluger Interpret, um in die Feierlichkeitsfalle zu tappen. Er fordert durchweg schnelle Tempi, oftmals hart an der Grenze zum technisch Machbaren, bringt Orchester wie auch Chor und Solisten bewusst in Bedrängnis – und erreicht so jenen Drive und jene Dringlichkeit, die diese viel eher philosophisch denn religiös geprägte Kirchenmusik für den Konzertsaal spannend machen.

Die einzige Arie hat Beethoven der Geige zugedacht

Mit kapellmeisterlicher Autorität waltet der 77-jährige Maestro inmitten seiner RSB-Musiker, die ihm mit jener Mischung aus emotionaler Anteilnahme und Präzision folgen, die das Fundament des Janowski’schen Musizierens bildet. Souverän arbeitet er mit Beethovens eigenwilliger Hell-Dunkel-Dramaturgie, dem oft überraschenden Wechsel von Laut und Leise, selbst im Fortissimo- Rausch des „Gloria“ werden die musizierenden Massen nie lärmig. Der aus Leipzig angereiste MDR Rundfunkchor vermag prächtig zu strahlen; noch eindrücklicher aber sind die leisen Momente, wenn sich der weiche, so gut zur sächsischen Mundart passende Klang der Sängerinnen und Sänger fein entfaltet.

Weil Elisabeth Kulman und Franz-Josef Selig zurückhaltend bleiben, dominieren im Solistenquartett Regine Hanglers beseelter Sopran und der beeindruckend selbstsichere Tenor Christian Elsners. Die einzige Arie der Partitur hat Beethoven keiner Stimme zugedacht, sondern der Geige: Konzertmeister Rainer Wolters gestaltet sie sublim und lässt die wortlose Melodie in vollendeter Belcanto- Schönheit erklingen.

Das nächste Janowski-Konzert findet am 1. Oktober im Berliner Dom statt. Dann spielt das RSB Bruckners 5. Sinfonie.

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