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Auch die Kanzlerin schaut kurz vorbei. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU, l.) im Kreis ihrer Mitstreiterinnen.

© AFP/Odd Andersen

Runder Tisch "Frauen in Kultur und Medien": Warum so defensiv?

Monika Grütters lud zum Abschluss des Runden Tischs "Frauen in Kultur und Medien". Das Ergebnis ist mau: Symbolpolitik, alte Forderungen - und immer neue Zahlen.

Bewusstseinsschärfung, das ist es. In die Öffentlichkeit gehen, Missstände anprangern, Schluss mit der Scham. Es gab eine Zeit, nicht nur in Deutschland, zu der solche Offensiven für die Gleichstellung der Frauen bitter nötig waren. Alice Schwarzer, der kleine Unterschied, die Älteren erinnern sich. Aber Bewusstseinsschärfung heute? Seltsam, dass Kulturstaatsministerin Monika Grütters beim sonnigen, prominent besetzten Kanzleramts-Empfang zum Abschluss ihres 2016 gestarteten Runden Tischs „Frauen in Kultur und Medien“ ebendies als oberstes Ziel proklamiert. Unter dem Hashtag #weiles2017ist, frei nach dem kanadischen Premierminister Trudeau, der auf die Frage nach seinem zur Hälfte mit Frauen besetzten Kabinett sagte: „Weil es 2015 ist“. Auch die Kanzlerin schaut kurz vorbei, trotz Geburtstag.

Weil es 2017 ist, sollte es gerade nicht mehr um Bewusstseinsschärfung gehen, schon gar nicht um eine „Charmeoffensive“. Die bringt seit Jahrzehnten wenig. Oder geht es doch nicht ohne ständig neue Statistiken wie die Kulturrats-Studie von 2016, die Gender-Untersuchung der Filmförderanstalt (FFA) im Frühjahr oder die aktuelle Untersuchung der Uni Rostock zur Geschlechter-Diversität im Fernsehen? Ändert die Öffentlichkeit nur mit immer frisch kredenzten Zahlen etwas daran, dass beim Film, in Medien und Musentempeln nach wie vor weit mehr Männer Regie führen?

Die Forderungen sind uralt, von fairer Bezahlung bis Mitspracherecht

Selbst die angekündigten Taten wie die Einrichtung eines Projektbüros stimmen einen missmutig. Das „Kulturfrauenzimmer“ (O-Ton Grütters) soll Ausschüsse einrichten, Frauen qualifizieren, noch mehr Datenreporte erstellen. Ach ja. Der vom Runden Tisch erstellte Maßnahmenkatalog enthält nichts, aber auch gar nichts, was nicht schon vor einem (oder vor 30, 40 Jahren) gefordert worden wäre: bessere Aufstiegschancen, faire Bezahlung, Mitsprache in Gremien und Jurys, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nichts gegen Symbolpolitik und das Engagement der CDU-Politikerin, nichts gegen die Steigerung des Frauenanteils in der eigenen Behörde oder den Gremien der FFA. Aber warum so defensiv? Niemand fordert Gesetze, Richtlinien, Quoten – obwohl all die freiwilligen Jahre vergeblich waren.

Im Bund mit Grütters treten drei Dutzend führende Kultur- und Medienschaffende mit Statements auf, von Schauspielerin Maria Furtwängler über Literaturagentin Elisabeth Ruge bis zu Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt. Alle setzen sich schon lange ein, versprechen weitere Verbesserungen, so dass man sich fragt, wieso die Kultur- und Medienwelt nicht längst ein Frauenparadies ist. Klare Ansagen mit Kante - wie die der Künstlerin Monica Bonvicini, dass sie künftig bei jedem Podium, zu dem sie als einzige Frau eingeladen ist, auf eine zweite besteht - bleiben die Ausnahme.

Auch dabei: Regisseur Volker Schlöndorff und Schauspielerin Maria Furtwängler (v.l.) im Bund mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters.
Auch dabei: Regisseur Volker Schlöndorff und Schauspielerin Maria Furtwängler (v.l.) im Bund mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

© dpa/Jörg Carstensen

Die Krux ist und bleibt die Kinderfrage. Seltsam, wenn Ulrike Kretzschmar vom DHM für Teilzeitstellen für weibliche Führungskräfte wirbt. Wieso nicht für männliche? Solange es nicht mehr Chefs gibt, die aktive Väter sind, wird es auch kaum mehr Mütter geben, die hinter der Kamera oder auf der Bühne stehen, die Theater leiten, Sender, Verlage.

Schauspielerin mit Kind, das ist bis heute oft ein Problem am Theater

DT-Intendant Ulrich Khuon möchte, dass Frauen sich auch in den Theatern trauen, „ihrem Wunsch nach Kindern zu folgen“. Ein Satz, der klarmacht, wie sehr Väter und Mütter bei ihren Alltagsproblemen bei der naturgemäß familienfeindlichen Film-, Theater- und Medienarbeit bis heute alleingelassen werden. Eine wie Irm Hermann kann da nur die Augen verdrehen. Am Rande des Empfangs erzählt die großartige Schauspielerin, wie Ivan Nagel sie einst am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg entlassen wollte, als sie schwanger war. Ihre Kolleginnen drohten mit Boykott, Irm Hermann durfte bleiben. Eine Schauspielerin mit Kind, an einem der großen Theater, das war damals ein Unding. Hermann machte den Anfang. Letztes Jahr, bei Marthaler-Proben, erlebte sie zum ersten Mal, wie ein Kollege frühzeitig ging, weil er sein Kind abholen musste. Auch das gab’s noch nie. Es geht voran. Nur leider viel zu langsam.

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