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Unpersönlichkeit. Seine Porträts kennzeichnete Mitroi einzig mit dem Datum ihrer Entstehung. Dies hier heißt „27. 7 .2001“.

© The Estate of Florin Mitroi and Esther Schipper / Alexandru Paul

Rumänische Malerei: Zweifel und Zwang

Widerspenstige Kunst aus der Zeit des Ceausescu-Regimes: Die Galerie Esther Schipper entdeckt das Werk des rumänischen Malers Florin Mitroi.

Er war speziell und hatte eine einzige Ausstellung in seinem Leben. Wenn Florin Mitroi nun in der Galerie Esther Schipper neu oder auch wiederentdeckt wird, dann gibt es wenig, an das man in der Biografie des rumänischen Künstlers anschließen kann. Als Professor am Institut für Kunst „Nicolae Grigorescu“ in Bukarest achtete er penibel darauf, sein Werk im Atelier vor anderen zu verbergen. Gleichzeitig arbeitete Mitroi wie ein Besessener. Was ihn bewegte, schlug sich unmittelbar in den Porträts nieder. Und vielleicht war das auch ein Grund für seine Zurückhaltung: Wer den unglücklichen Gestalten ins Gesicht schaut, blickt Mitroi direkt in die Seele.

Als einer der ersten in Berlin hat dies Jörg Johnen erkannt. Der ehemalige Galerist schloss seine Räume 2015, die meisten Künstler aus dem Programm wechselten zu Esther Schipper. Einzige Ausnahme: die Nachlässe von Stefan Bertalan und Florin Mitroi. Beide wurden bis vor kurzem von Johnen weiter betreut, der ansonsten keine Lust mehr auf den Kunstmarkt hatte. Entdeckt hat er die zwei Rumänen für sich über mehrere Ecken – und über einen Fokus auf polnische Konzeptkunst, der in einer Begegnung mit der legendären Foksal Gallery gründete.

Hier stieß Johnen auf die zentralen Namen einer osteuropäischen Avantgarde, die teils schon seit 1966 mit dem anfangs informellen Projektraum verbunden waren. Der rumänische Maler Viktor Man machte ihn dann mit den Werken von Mitroi und Bertalan bekannt. Letzteren lernte der Galerist noch kennen, denn Bertalan starb erst 2014 mit 84 Jahren. Mitroi war da schon zwölf Jahre tot, seine Witwe hütete in Bukarest das Erbe: ein schier unüberschaubares Konvolut an Aktzeichnungen und ein ebenso eindrückliches Œuvre von Porträts, abstrahierenden Landschaften und Arbeiten in Zink.

Distanz prägt die Atmosphäre in den Räumen

Sie alle treten einem in der Galerie Esther Schipper entgegen. Das meiste im eher kleinen Format, chronologisch geordnet und fein von Erwin Kessler kuratiert, Kunsthistoriker und heute Direktor eines privaten Museums für aktuelle Kunst in Bukarest. Er kennt das Werk seit langem, war schon mit Johnen in Kontakt und gliedert Mitrois Nachlass aus 30 Jahren in vier Kapitel. Kessler separiert die wenigen Landschaften, gruppiert die (Selbst-)Bildnisse und verdichtet Mitrois schnelle, präzise Tuschzeichnungen zu einer schier überbordenden Wand. Die Zinkplatten gegenüber mit ihren stumpfgrauen Oberflächen wirken dank der ruhigen Hängung trotz aller figürlichen Andeutungen extrem abstrakt (alle Preise auf Anfrage).

Distanz prägt die Atmosphäre in den Räumen der Galerie. Und doch vermag sie Mitrois Sujets nicht den Schmerz, die Wut und Trauer zu nehmen, die der Künstler angesichts der politischen Verhältnisse in seinem Land empfand. Hunderte von Fotografien in seinem Nachlass dokumentieren sein Interesse am dörflichen Rumänien, das der verordneten Industrialisierung in den achtziger Jahren zum Opfer fiel. Während des Regimes von Nicolae Ceausescu zog sich Mitroi so oft wie möglich zurück und verschwand hinter seiner Arbeit. „Studiosaurus Ferox“ heißt die Ausstellung auch mit Blick auf die inneren Kämpfe eines Wildwütigen: Das Werk des Künstlers, das sich in der Hochphase des sozialistischen Realismus jeder Instrumentalisierung verweigerte, wuchs im Exil seines Ateliers.

Selbstverteidigung gegen brutale Rhetorik

Was Mitroi bewegte – die Zweifel, Ängste, der Zwang zur Konformität und die alltäglichen Erfahrungen von Repression – spiegelt sich in den Mienen der von ihm gemalten Figuren mit Gesichtern wie aus einem Comic. Sie sind einfach gestaltet, dennoch drastisch und in ihrer grundsätzlichen Traurigkeit sofort zu lesen. Oft wirken sie, als lasteten Zentner auf ihnen. Dabei sind es von Mitroi gemalte Dolche und Beile, die auf die zarten, fast konstruktiv vereinfachten Körper zielen.

Diese Unmittelbarkeit ist so unkontrolliert wie authentisch und anziehend in einer Zeit der Metadiskurse mit Doppelzitat. Drei Jahrzehnte nach dem Eisernen Vorhang, den neuen Freiheiten der einstigen kommunistischen Länder Europas, wirkt sie dennoch erst einmal aus der Zeit gefallen. Es sei denn, man gleicht Mitrois „Sprache der Machtlosigkeit, seine antiheroische Position“ mit unserer Gegenwart ab, wo sie „eine Herausforderung darstellt und dem öffentlichen Bewusstsein trotzt, das von nichtssagender Macht immer noch fasziniert ist.“ Erwin Kessler schrieb dies 2014 für eine Ausstellung von Mitrois Bildnissen in der Galerie Johnen. Fünf Jahre später gewinnt seine Charakterisierung der Ceausescu-Zeit eine neue, aktuelle Dimension. „Mitrois stacheldrahtige Kunst ist Selbstverteidigung gegen die invasive brutale Rhetorik eines ideologischen Gesellschaftskörpers“, sein Protest gipfelt in der Darstellung menschlicher Deformation. Das ist einerseits schwer auszuhalten, andererseits üben die Porträts eine eigenartige Faszination aus. Es scheint, als habe Florin Mitroi nicht allein in die eigenen Abgründe geblickt.

Galerie Esther Schipper, Potsdamer Str. 81 E; bis 6.4., Di–Sa 11–18 Uhr

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