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Kultur: Rückschau: Bärtige Jungfrau

Ein junger Müllersbursch wandert, trifft eine schöne Müllerin, die ihm das Herz bricht, und setzt seinem Leben im Mühlenbach ein Ende. Das ist der Stoff, aus dem man 17-teilige Liederzyklen schreibt, so man Schubert heißt und Romantiker war.

Ein junger Müllersbursch wandert, trifft eine schöne Müllerin, die ihm das Herz bricht, und setzt seinem Leben im Mühlenbach ein Ende. Das ist der Stoff, aus dem man 17-teilige Liederzyklen schreibt, so man Schubert heißt und Romantiker war. Singen muss das Dietrich Fischer Dieskau. Oder die Geschwister Wollner nehmen sich des Liederreigens an. Im Grünen Salon der Volksbühne zelebrieren sie den musikhistorischen Rundumschlag, entdecken die ersten Spuren der Schönen Müllerin auf altägyptischem Papyros, weitere im italienischen Madrigal des 16. Jahrhunderts, bis hinein in den Vorstadt-Rap Frankfurter Jugendlicher (wieder morgen, 20 Uhr). Das wird deshalb nicht zum Kahlschlag, weil die Wollners nicht nur exzellente Musiker sind, sondern ihre Schubert-Parodie in einer höchst vergnüglichen Vorlesung verpacken, "Das Auditorium der Bella Molinara". Tobias Wollner gibt den eitlen Professor, seine Schwester Tabea den ewigen Assistenten Silvio. An das Publikum werden Thesenpapiere verteilt. Professor König flüchtet zwischen den Liedern ab und an in kluge, aber langatmige Abhandlungen. Da unterhält ein Blick auf Silvios stummes Leiden, der beständig kleine Frondienste für seinen Doktorvater erledigen muss, wie Wasser holen oder Bleistifte spitzen, um sich dann wieder auf seinem viel zu kleinen Stühlchen zusammenzufalten. Ein Ziegenbart stoppelt auf den Wangen des Leidenden, und wird auch für den Kurzauftritt einer ukrainische Kolchos-Arbeiterin nicht abgenommen. Tabea Wollners Figuren sind allesamt lächerliche, ins Absurde getriebene Gestalten, umso größer dann der Kontrast, wenn sie zu singen beginnt. Ihre tiefe, volle Stimme vibriert durch den Grünen Salon, das Lachen verstummt, und Fischer Dieskau hat Konkurrenz bekommen.

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