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Ein Filmstill von "From Source To A Poem". Es ist eines der 15 Videos, die Rosa Barba in der Neuen Nationalgalerie zeigt.

© Rosa Barba / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Rosa Barba in der Neuen Nationalgalerie: Diese Künstlerin zelebriert zum Neustart das große Jetzt

Die Neue Nationalgalerie zeigt zu ihrer Eröffnung in der Sonderausstellungshalle Installationen von Rosa Barba. Sie mischt Filme, Musik und Text.

Wer die untere Halle in der Neuen Nationalgalerie betritt, wird sich wundern. War da was? Mit so viel Umsicht und Respekt vor der Mies’schen Architektur wurde saniert, dass man kaum eine Veränderung wahrnimmt. Freilich sind die Tresen anders arrangiert, aber das Holz, die Ledersessel, der Steinboden sind so, wie sie von Mies van der Rohe in den 60er Jahren erdacht wurden. Die Neue Nationalgalerie als Zeitkapsel. Sie befördert die Besucherinnen in die Moderne der 60er Jahre mit all den damit verbundenen Annahmen, wie Kunst präsentiert und erlebt werden soll. Als Bild vor allem, als Skulptur, für andere Medien hatte Mies seinen Tempel nicht optimiert.

Joachim Jäger hat das ehemalige „Grafische Kabinett“ zur Sonderausstellungshalle gemacht. Diese wird zum Neustart von der 1972 geborenen Berliner Künstlerin Rosa Barba bespielt (bis 16.1.), und das erweist sich als gelungener Twist. Barba befördert Calder, die Sammlungspräsentation und das Haus in die Gegenwart, indem sie feste Vorstellungen von Raum und Zeit erst gar nicht zulässt. Ihr Vorschlag ist das „Immerwährende Jetzt“. So heißt auch ihre Installation, die den zur Verfügung stehenden Ausstellungsraum vom Boden bis zur Decke ausfüllt.

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Man sieht gleich, dass die Installation in diesem Kabinett mit dem grauen Steinfußboden und der pragmatischen, mit Scheinwerfern bestückten Decke etwas fremdelt. Gerade das schärft den Blick auf das Gebäude. „In a Perpetual Now“ zeigt ein raumfüllendes Gerüst aus Stahlrahmen, in das 15 von Rosa Barbas Filmarbeiten eingebettet sind. Das geometrisch verschachtelte Gerüst hat die italienisch-deutsche Künstlerin in anderer Form schon in der Rotunde der Frankfurter Schirn installiert. Es ist ein architektonisches Archiv ihrer Werke; dazu gehören zwei 35-Millimeter-Filme, die mit mächtigen Projektoren abgespielt werden.

Einer führt in die Mojave-Wüste und ins größte Medienarchiv der Welt, den Packard Campus nahe Washington, in dem Filmrollen in hohen Regalen aufbewahrt werden. Ein anderer Film, der eigens für die Neueröffnung entstanden ist, zeigt die gläserne Halle der Neuen Nationalgalerie in Nebel gehüllt und greift Mies’ Vorstellung von der Architektur als „neuer Lebensform“ auf.

Die Vielfältige. Rosa Barba bespielt das ehemalige „Grafische Kabinett“.
Die Vielfältige. Rosa Barba bespielt das ehemalige „Grafische Kabinett“.

© Sara Masüger

Auch etliche von Rosa Barbas skulpturalen Werken sind zu sehen, Zelluloidstreifen werden durch ein Blechrohr gesaugt, statt Bildern werden Farben oder Buchstaben projiziert. Nicht alle dieser filmischen Skulpturen laufen gleichzeitig. Manchmal klickt und rattert und spult es an der einen Stelle, dann an einer anderen.

Obwohl es in dieser Präsentation keine Hierarchien gibt, ist der neue Film „Plastical Limits“ doch ein Highlight. Die Aufnahmen aus der Mies’schen Glashalle mit ihren Aus- und Durchblicken in die Stadt sowie anderer ikonischer Architekturen in Berlin, etwa dem Naturkundemuseum, werden mit lexikalischen Begriffen kombiniert, die in Rosa Barbas Verständnis von Raum und Zeit eine Rolle spielen. Etwa „Subconscious“ oder „Oscillation“, das als „Vibration zwischen Vergangenheit und Zukunft“ beschrieben wird.

Dieses Vibrieren zwischen den Zeiten macht die Künstlerin augenscheinlich, indem sie Szenen davor und danach immer ein bisschen in das Hauptbild hineinblitzen lässt. Das Bild drängt in diesem 35-Millimeter-Film bis an den Rand des Materials. Die Grenzen des Raumes werden in jeder Hinsicht ausgetestet. Akzentuiert wird das Ganze von einem musikalischen Rhythmus, mal sphärisch, mal technoid, einer Komposition der Künstlerin, die sie von anderen Künstlern variieren und weiterverarbeiten ließ.

Rosa Barba nutzt Bilder, Material, Buchstaben und Text, alles kann bei ihr Medium sein, alles spielt sich ab, formt Bedeutung oder lehnt sie ab, alles passiert genau jetzt. So arbeitet Barba gegen eingeübte Rituale des Sehens, Denkens und Erlebens an.

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