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Emmanuelle Seigner in einer Filmszene.

© Prokino

Roman Polanski verfilmt "Venus im Pelz": Die Schlacht der Körper

Regisseur Roman Polanski verfilmt mit „Venus im Pelz“ von Leopold von Sacher-Masoch das Manifest der Unterwerfungswilligen.

Es kommt mitten durch die Allee, aber es nimmt die Schönheit der alten Bäume nicht wahr. Kein Blick nach links oder rechts, nur immer geradeaus, unverwandt auf der Horizontlinie. Und wir wissen nicht, was es ist. Aber wir sehen mit seinen Augen: So müssen Krieger schauen, die in die Schlacht ziehen. Und dann öffnet sich die Flügeltür eines schönen alten Theaters, das schon einmal bessere Tage gesehen hat. Das „es“ ist nun drin, aber der einzige Mensch im Theater scheint nichts zu bemerken, im Gegenteil: Ein vielleicht etwas müder Regisseur, der schon bessere Tage gesehen hat, schiebt die letzten Blätter zusammen. Das Vorsprechen ist zu Ende, die Kandidatinnen sind weg; es war keine dabei, die der Figur im Stück auch nur entfernt geglichen hätte.

Das Stück? Roman Polanskis Agent hat es dem Regisseur im letzten Jahr in Cannes zu lesen gegeben und gesagt: Das musst du machen! Was Polanski las, war die für die Bühne restaurierte Fassung eines alten, viel beargwöhnten Buches. Der Regisseur musste sehr viel lachen. Das ist merkwürdig, denn Polanski las, nun ja, Leopold von Sacher-Masoch. Das ist jener Urmasochist, der für seine Lust – einst erweckt durch eine prügelnde Tante – bis heute mit seinem Namen haftet. Und „Venus im Pelz“ ist gewissermaßen das Manifest der Unterwerfungswilligen. Sacher-Masoch mag die gewagtesten Wirkungen hervorrufen, aber solche auf das Zwerchfell?

Im Original begegnet der galizische Edelmann Severin von Kusiemski in einem Karpatenbad der wohlhabenden Witwe und Lebefrau Wanda von Dunajew. Sie trägt Pelze gegen die Kälte, darunter mitunter nichts. Er will diese nördliche Venus heiraten, aber schließlich unterzeichnet er einen Vertrag, der ihn zu ihrem Sklaven macht.

Die Frage lautet: Worüber lachte Roman Polanski? Im Film sucht der etwas müde Regisseur Schauspieler, die Severin und Wanda heute auf die Bühne bringen. Heute, wo alle Wege, auch die erotischen, viel kürzer sind. Wo solche Verführerinnen wie Wanda von Dunajew ausgestorben sind, sämtlichen Gender-Studiengängen der Welt sei dank. Und wenn doch eine übrig sein sollte, so ist spätestens alles vorbei, wenn sie den Mund aufmacht. So wie jetzt diese Zuspätkommerin, vor der sich die Theatertür lautlos öffnete. Sollte diese gehetzte, leicht demolierte Verliererin die Inhaberin des Alleeblicks sein? Der Regisseur mag sie kaum anschauen - es ist Emmanuelle Seigner, Polanskis eigene Frau. Und wie sie spricht, jetztzeittrivial, wandaweltenfern

Was nun beginnt, ist eine Schlacht der Worte, Blicke und Körper, die sich doch fast nie berühren, und doch geht es um Leben und Tod. Am Anfang ist alle Macht, aller Hochmut beim Mann, beim Regisseur. Mathieu Amalric sieht irritierenderweise aus wie der jüngere Roman Polanski. Er hat eine Rolle zu vergeben, die eine ganz bestimmt nicht bekommen wird: dieses Findelkind der Sprache da vor ihm, das nicht einmal weiß, was ein „Epigraf“ ist.

Macht und Demütigung, das alte Spiel. Der Regisseur muss bald alle Selbstbeherrschung aufbieten, um die einstürzenden Wände seines Ichs zu halten gegen den Anprall dieser Schauspielerin, die einfach anfängt, ihre Rolle zu spielen. Und wie! Ist das noch dieselbe Frau? Der Regisseur liest probehalber den Part des Severin, er wird zu Severin, je besser Wanda spielt, am Ende wird er den Vertrag unterzeichnen. Nur den Stückvertrag?

Der Regisseur und die Chimäre, die Überfrau, Doppeldrohung von Erfüllung und Vernichtung. Die Ebenen wechseln nahtlos, vom Kampf der Geschlechter im Stück zur genderdebattenbewehrten Verbalmetzelei. Das ist meisterlich in Szene gesetzt und gespielt, doch atmet „Venus im Pelz“ eine manchmal nur schwer erträgliche Sacher-Masoch-Schwüle.

Und das Lachen? Ja, doch, manchmal. Wer am Ende verliert, gefesselt an einen großen Kaktus, der von der Dekoration des letzten Stückes, eines Western, übrig blieb, ist klar. Wir müssen dieses Ergebnis anerkennen, glaubt Roman Polanski.

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