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Britische Soldaten in 1915 bei Ypern, Belgien.

© Ernest Brooks/National Library of Scotland/dpa

Roman "Die Rückkehr": Weiße Blumen, schwarze Wasser

Liebe in Zeiten des Ersten Weltkriegs: Rebecca Wests Roman „Die Rückkehr“ wurde schon 1918 publiziert - nun erscheint der einzigartige Roman auf Deutsch.

Die Ankündigung, es handele sich um den „einzigen zeitgenössischen Roman einer Frau, der die Schrecken des Ersten Weltkriegs“ verarbeite, ist so reißerisch wie unzutreffend. Zumindest in der deutschsprachigen Literatur hat „das Kriegserlebnis“ in Werken von Agnes Sapper oder Gabriele Reuter einen Niederschlag gefunden. Dennoch darf die 1892 in London geborene Schriftstellerin und Journalistin Rebecca West für sich reklamieren, dass ihr 1918 publizierter, nun fast 100 Jahre später auf Deutsch zugänglicher Roman „Die Rückkehr“ in mancher Hinsicht einzigartig ist.

Ursprünglich in Fortsetzungen erschienen, handelt es sich um eine psychologisch und stilistisch filigrane Studie, die es mit den berühmteren männlichen Kriegs- und Nachkriegsgeschichten aufnehmen kann. Erzählt wird das Schicksal von Chris, einem englischen Soldaten, der bei der Schlacht an der Somme 1916 einen „Granatenschock“ erlebt. Doch nicht er, der Gentleman aus der Upper Class, steht im Mittelpunkt. Er führt lediglich drei Frauen zusammen.

Der Soldat kehrt aus dem Krieg zurück - und hat sein Gedächtnis verloren

Auf dem südenglischen Landgut, das von Kitty, Chris’ schöner Ehefrau, und Jenny, seiner unscheinbaren Cousine, bis zur Rückkehr gepflegt wird, erscheint eines Tages eine gewisse Mrs. William Grey. Sie, mit Vornamen Margret, behauptet, Chris „einmal gekannt“ zu haben und schockiert die beiden anderen Frauen mit der Nachricht, er läge „versehrt“ in einem französischen Hospital.

Als Chris heimkehrt, hat er sein Gedächtnis verloren. Er kann nur noch an die Leidenschaft für seine Jugendliebe Margret anknüpfen. Das Zusammenleben auf dem Landgut entwickelt sich zu einer Zerreißprobe, es ist, „als wäre er ein Ausgestoßener und wir, die wir ihn liebten, die gestrengen Polizisten“. Bald ahnt Jenny, dass Chris für sie und Kitty verloren ist.

In zwei aus Chris’ und Margrets Perspektive zusammengesetzten Rückblicken ersteht eine magische Vorkriegsromanze, die alle folgenden Leidenschaften für nichtig erklärt. Doch nicht die Verwirrungen des Kriegsneurotikers sind es, die in den Bann ziehen, sondern die von Jenny bis in die letzte Faser nachgezeichneten Gefühle der drei ungleichen Frauen.

Eine untergehende Schicht von Frauen

Wests gelegentlich biologistisches Frauen- und Mutterbild wird aufgewogen von einer Prosa, die mit ihren langen Sätzen wie ein zerfließendes Aquarell wirkt. Die in einer Schale hockende nackte Nymphe etwa wird zum Sinnbild einer untergehenden Schicht von Frauen: „Erlesen waren wir, was unsere Ausstattung anging; unbeeindruckt von Gefühlen wie Appetit und Leidenschaft, sogar edler Leidenschaft; wir wenden unsere kleinen Köpfe aufmerksam den kleinen weißen Blumen des Luxus zu, die im schwarzen Wasser des Lebens treiben; und er hatte keine anderen als uns gekannt.“

Rebecca West war eine von den wenigen anderen, „deren unabhängiger Geist mit furchtlosem Interesse außerhalb der heimischen Sphäre“ umherschweifte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie dann Berichterstatterin bei den Nürnberger Prozessen. Es ist ein Geschenk, sie nun mit diesem frühen Werk entdecken zu können.

Rebecca West: Die Rückkehr. Roman. Aus dem Englischen von Britta Mümmler. dtv, München 2016. 159 Seiten, 16,90 €.

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