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Die Aussortierten des Kinderzimmers. Die Papiertänzerin (Hanni Lorenz) und und der Zinnsoldat (Friedrich Richter).

© Christian Brachwitz

Roland Schimmelpfennig im Theater an der Parkaue: Die Heldengeschichte zweier Beschädigter

Der weltweit noch immer viel gespielte Dramatiker Roland Schimmelpfennig vertraut der Theaterkraft. Alles Abenteuer entsteht ausschließlich im Kopf

„Die kannst du von mir aus ins Feuer schmeißen!“ Was für ein grausamer Satz. Und fast das Todesurteil für zwei ungeliebte Spielzeuge. Der Junge hat den Zinnsoldaten und die Papiertänzerin nie wirklich geschätzt, also empfiehlt er sie naserümpfend den Flammen, als die Köchin sie ihm hinhält.

Ob er genauso reagieren würde, wenn er wüsste, welch gefahrenvolle, schier unglaubliche Reise die beiden hinter sich haben? Vermutlich. Kinder können ziemliche Monster sein.

Der Dramatiker Roland Schimmelpfennig aber besitzt ein großes Herz für die Randgestalten und Aussortierten des Kinderzimmers. In seinem Stück „Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ für Menschen ab sieben Jahren, das er im Theater an der Parkaue auch selbst inszeniert hat, erzählt er die Heldengeschichte zweier Beschädigter.

Das weckt Erinnerungen an die „Toy Story“-Serie aus dem Hause Disney, allerdings nur kurz. Denn Schimmelpfennigs bestürmend aus der Zeit gefallene Spielzeug-Saga könnte von der animierten Action-Hatz um Cowboy Woody kaum weiter entfernt sein. Denn alles Abenteuer entsteht hier ausschließlich im Kopf.

Eine gefährliche Odyssee

Die Papiertänzerin (Hanni Lorenz), die ein naturgemäß höchst fragiles Geschöpf ist, und der Zinnsoldat (Friedrich Richter), bei dem das Blei nur für ein Bein gereicht hat, stürzen durch tragische Umstände aus dem Fenster.

Während der kleine Krieger in den Gully gespült wird und eine wilde Seefahrt durch die Kanalisation antritt, vorbei an gemeinen Grenzer-Ratten, die Passkontrollen vornehmen, wirbelt es seine zarte Angebetete hoch in die Lüfte, wo ihr Drachen, Elstern und mies gelaunte Wolken begegnen. Es bräuchte für beide ein Wunder, diese Odyssee zu überstehen. Und erst recht, um wieder zusammenzufinden.

[„Der Zinnsoldat und die Papiertänzerin“ wieder im Theater an der Parkaue am 23. und 24. 11., 16 Uhr.]

Der weltweit noch immer viel gespielte Autor und Regisseur Schimmelpfennig vertraut dabei in schlanken 80 Minuten sehr pur der Theaterkraft. Auf einem kleinen Podest mitten im Bühnenraum setzen seine tollen Schauspieler einen mitreißenden Erzählstrom in Gang, frontal ins Publikum.

Alle Verwandlung lassen sie dabei sichtbar geschehen, mit um sie herum platzierten Requisiten, Kostümen und Instrumenten, mit rieselnden Federn, Nebelmaschine oder einer zum Papierschiff gefalteten Leinwand. Was die Illusion gerade schöner macht.

Die Geschichte hätte auch kitschig geraten können. Aber Schimmelpfennig und Lane Schäfer, die für Bühne, Kostüme und Puppenbau zuständig ist, mischen in ihre Fabulierlust stets einen fein dosierten Humor. Konsequent bis zum Ende, das (so viel sei verraten) kein feuriges ist.

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