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Vorwiegend heiter: Robin Ticciati, der Chefdirigent des DSO

© Alexander Gnädinger

Robin Ticciati dirigiert das DSO: Optimistisch bleiben!

Ein Abend der großen Gefühle: Das Deutsche Symphoniker Orchester spielt Mahlers 1. Sinfonie, Nicolas Altstaedt glänzt bei Waltons Cellokonzert.

Ob sie das auch vor jeder Probe so machen? Der Abend in der Philharmonie beginnt am Sonntag mit einer kollektiven Improviastion der Musikerinnen und Musiker. Das Deutschen Symphonie-Orchester betritt die Bühne, aber niemand setzt sich hin. Mehr oder weniger zaghaft beginnen die Instrumentalisten, ihrem Arbeitsgerät Klänge zu entlocken. Zuerst ergeben sich eher Knarr- und Atemgeräusche à la Helmut Lachenmann, dann scheinen erste Melodiepartikel auf, die Lautstärke schwillt an, ebbt wieder ab.

Zehn Minuten geht das so. Optisch ist diese gruppendynamische Aktion zweifellos ansprechend, weil ungewöhnlich - allerdings bleibt sie ohne Erkenntnisgewinn fürs Publikum. Schließlich schleichen sich zusammen mit den restlichen DSO-Mitgliedern auch Chefdirigent Robin Ticciati und Cello-Solist Nicolas Altstaedt aufs Podium. Das Orchester sortiert sich und gleitet fast unmerklich in das erste notierte Werk des Programms über, William Waltons Cellokonzert, komponiert im Jahr 1956.

Allerspätestromantik ist das, was Walton hier geschrieben hat. Doch die unzeitgemäße Partitur hat nichts Pappiges in dieser Aufführung: Weil Ticciati, das DSO und ihr grandioser Solist eine Atmosphäre der Leichtigkeit, der südländischen Heiterkeit treffen, die sofort bezaubert. Wie improvisiert wirkt Nicolas Altstaedts Spiel, dahingetupft, leichthändig, ganz ohne Druck, selbst in den virtuosesten Passagen - so als sei dieser Part überhaupt nicht verteufelt schwer.

Eine tönende Duftwolke des Orchesters hüllt ihn dabei ein. Zart erblühen die Mischklänge im eröffnenden langsamen Moderato, wenden sich im schnellen Allegro appassionato ins Flirrende, als wär's der Soundtrack zu einer Verfilmung von Shakespeares "Sommernachtstraum": Willkommen im Zauberreich von Titania und ihren Elfen Bohnenblüte, Spinnweb und Senfsamen. Für den begeistert aufbrandenden Applaus bedankt sich Nicolas Altstaedt - ganz Teamplayer - mit einer introvertierten Zugabe, die er gemeinsam mit den DSO-Solocellisten Mischa Meyer und Valentin Radutiu spielt.

Heftig beklatscht wird anschließend auch die Aufführung von Gustav Mahlers 1. Sinfonie. Hier dominieren ebenfalls die positiven Gefühle, Robin Ticciati lässt uneingeschränkt optimistisch musizieren, das Blech glänzt, die Hörner recken ihre Trichter in die Höhe, es gibt jede Menge zu schauen, wenn sich die Riesenbesetzung mit Engagement durch die Partitur ackert. Dass Gustav Mahlers Sinfonien immer auch etwas Doppelbödiges haben, dass hier nichts nur so gemeint ist, wie es auf den ersten Blick scheint, dass man darum gerade den schönsten Stellen unbedingt misstrauen sollte, dass im größten Jubel stets auch die Gefahr der Katastrophe mitschwingt - diese Aspekte bleiben in Ticciatis Interpretation weitgehend unberücksichtigt.

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