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Der Tischler und sein Holzbengel. Geppetto (Roberto Benigni) mustert Pinocchio (Federico Ielapi). Als er die Puppe fragt, ob sie ihn hören könne, schaut sie ihn an und antwortet: „Papa!“.

© Greta De Lazzaris

Roberto Benigni in „Pinocchio“: Bis die Teller tanzen

Roberto Benigni macht aus dem biederen „Pinocchio“ von Matteo Garrone einen netten Kinderfilm. Unsere Filmkritik.

Es ist ein magischer Moment. Viele Späne sind gefallen, vorsichtig hat Geppetto mit Stemmeisen und Holzhammer aus dem Baumstamm den Oberkörper eines Jungen herausgearbeitet. Schon springt ihm aus dem Gesicht die charakteristische spitze Nase entgegen.

Nun bemalt der Tischler die Augen, umarmt seine Schöpfung und fragt flüsternd: „Kannst du mich hören, Pinocchio?“ Plötzlich blicken zwei Pupillen zurück, die Figur antwortet: „Papa!“

Mit dieser Metamorphose, einer Variante des Pygmalion-Mythos, beginnt eines der berühmtesten Kinderbücher der Weltliteratur. „Pinocchio“, von Carlo Collodi 1881 veröffentlicht, ist bislang mindestens 30 Mal verfilmt worden.

Der italienische Regisseur Matteo Garrone, der durch seinen Mafiafilm „Gomorrha“ und den parabelhaften Thriller „Dogman“ bekannt geworden ist, wollte diesen Adaptionen eine Version hinzufügen, die nichts weiter will, als der Vorlage besonders getreu zu folgen und dabei möglichst fantastisch auszusehen.

Sein „Pinocchio“ ist ein ziemlich biederes Kostüm- und Kulissenmärchen, das aber einen Trumpf hat. Geppetto wird von Starkomiker Roberto Benigni gespielt, der allein mit seinem kauzig zerfurchten Gesicht ganze Dramen erzählen kann. Gleich sein erster Auftritt eskaliert zu großem Slapstick.

Roberto Benigni auf der Berlinale.
Roberto Benigni auf der Berlinale.

© REUTERS

Da geht der kirchenmausarme Tischler „nur zum Aufwärmen“ in die Osteria, setzt sich auf einen Stuhl, bricht fast durch, rüttelt am Tisch, bis die Teller tanzen, und entdeckt, dass auch die Tür nicht mehr richtig schließt. „Alles ein bisschen kaputt“, sagt er dem Wirt, „kann ich dir reparieren“. Der Wirt stellt ihm bloß eine Gratissuppe hin und entgegnet: „Damit du aufhörst zu reden.“

Ähnliches möchte man dem Film zurufen. Seine Ausstattung ist erlesen, das pittoresk archaische Bergkuppelstädtchen, in dem Geppetto lebt, und seine Feld-, Wald- und Küstenumgebung könnten einer „Landlust“-Reisereportage entsprungen sein.

Doch die Dialoge driften schnell ins zeigefingernd Pädagogische. Schon die Sprechende Grille warnt Pinocchio aus dem Gebälk seines Geburtshauses: „Mit Jungen, die nicht ihrem Vater gehorchen, endet es böse.“

[24.2., 9.30 (Friedrichstadt Palast). 26.2., 18 Uhr (Friedrichstadt Palast). 1.3., 15.30 Uhr (Zoo Palast 1)]

„Pinocchio“ ist, so wie Garrone sie erzählt, die Geschichte einer Domestizierung. Der Holzbengel ist eine Puppe, aber eine Marionette, die sich von anderen lenken lässt, will er nicht sein. Als Geppetto ihm das Laufen beibringen will, ist er bereits ausgebüxt, um Gänsen hinterherzujagen. Statt der Schule besucht er lieber das durchreisende Puppentheater, dem er sich unfreiwillig anschließen muss.

Die Protagonisten des Films entsprechen dem schablonenhaften Figurenrepertoire der Commedia dell’arte. Der Theaterdirektor Mangiafuoco ist ein Kinderschreck, der allerdings von Pinocchio so gerührt wird, dass er ihn nicht verheizt, sondern mit fünf Goldstücken in die Freiheit entlässt. Kater und Fuchs, die beiden Halunken, belügen ihn erst augenrollend, um ihn dann im nachtdunklen Wald, in Säcke verkleidet, fast zu ermorden. Sie nennen sich Freunde, wollen aber nur das Geld. Bloß die Fee rettet den Helden immer wieder, wenn er verspricht, künftig artig zu sein.

Auch die Szene, in der Pinocchios Nase auf Astlänge wächst, weil er lügt, fehlt nicht. Doch die Chance, dieses Märchen aus dem 19. Jahrhundert in unsere Gegenwart zu transportieren, in der sich Fake kaum noch von Wahrheit unterscheidet, nutzt Garrone nicht. So bleibt sein „Pinocchio“ bloß ein Kinderfilm.

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