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Rüttelt an Genregrenzen. Der Pianist Robert Glasper.

© Darrin Zammit Lupi/Reuters

Robert Glasper im Gretchen: Spielen, wie J Dilla Beats gemacht hat

Vielfältig: Das Trio des Jazzpianisten Robert Glasper und der DJ Jahi Sundance hypnotisieren das Publikum im Gretchen.

„Es ist verdammt kalt, Berlin!“ Während sich Robert Glasper zur Begrüßung zu Recht über das Schmuddelwetter beklagt, kommt im Gretchen ganz andere Stimmung auf: Muggelig warm ist der schlauchförmige Club und bis in die letzte Reihe mit Menschen gefüllt, die den 39-jährigen Jazzpianisten sehen wollen. Mitte 20 bis Ende 40 sind die meisten, die seinem Trio – ganz klassisch aus Klavier, Kontrabass und Schlagzeug bestehend – entgegenfiebern. Unterstützt wird Glasper auf seiner Herbsttour vom DJ Jahi Sundance an den Plattenspielern, der auch vor dem Konzert schon für Kopfnicken im Publikum sorgt.

Jazzpiano und Turntables – das steht stellvertretend für den Sound des aus Houston stammenden Musikers. Einen Veteran könnte man ihn mittlerweile nennen auf dem dynamischen Terrain zwischen Jazz und Hip-Hop, auf dem er und seine Bandkollegen sich die Bälle zuwerfen. „Ich will spielen, wie J Dilla Beats gemacht hat“, hat Glasper zu seinem Ansatz gesagt. Wegweisende Beat-Produzenten wie Pete Rock oder J Dilla haben seit den Anfängen des Hip-Hop immer neue Techniken ausprobiert, um alte Soul- und Jazz-Scheiben auseinanderzuschnipseln und aus den Versatzstücken die instrumentalen Grundlagen für Rap-Künstler zu schaffen. Glasper war ein Pionier darin, diese von Wiederholungen geprägte Ästhetik wieder zu ihren instrumentalen Ursprüngen zurückzubringen.

Und so ist das kreative Spiel mit Loops für Robert Glasper und seinen Sound essenziell. Oft schwebt er minutenlang mit üppigen Akkorden über den Schlagzeugbeats, zu denen die Menschen wie hypnotisiert mit dem Kopf wippen. Ab und an spielen Glasper und seine Kollegen auch ein Solo. Doch statt in den Vordergrund zu treten, bleiben sie stets einen Schritt hinter Damion Reids allmächtigem Schlagzeuggroove zurück.

Cover von Radiohead und Prince

Jahi Sundance spielt dazu Gesangsparts aus dem Laptop ab und scratcht in die Atempausen hinein. Bei Stücken wie dem klassischen „Afro Blue“, an dessen pulsierende Melodie sich Glasper 2012 zusammen mit der Sängerin Erykah Badu wagte, wird das Klangbild dadurch erst richtig komplett. Doch insgesamt wirkt der vierte Mann über weite Strecken wie ein Anhängsel.

Glasper wiederum zeigt, warum seine Musik so viele Leute erreicht. Cover von Radiohead und Prince sind dabei, da rackert sich das Trio an den Hip-Hop-Urgesteinen A Tribe Called Quest ab, beschwört den Poeten Gil-Scott Heron oder liefert eine wunderbar balladeske Version von „Smells Like Teen Spirit“, bei der sich Kurt Cobains kratziges Stöhnen im Refrain in federleichte, melancholisch satte Akkorde verwandelt. Für jeden ist hier etwas dabei: Glaspers Songs sind fast so vielfältig wie die Plattenkisten des Beatgenies J Dilla.

Ken Münster

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