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Leidenschaftlicher Tänzer. Richard Gere in „Darf ich bitten?“ (2004).

©  Imago

Richard Gere wird 70: Gigolo, Stilikone und unermüdlicher Friedensaktivist

In „Pretty Woman“ gab er den aalglatten Helden, doch Richard Gere ist mehr als ein Frauenschwarm. Dem Schauspieler zum 70. Geburtstag.

Vor Kurzem erst hatte Richard Gere einen weltweit wahrgenommenen Auftritt als Philanthrop und Friedensaktivist. Er besuchte Flüchtlinge auf dem Schiff „Open Arms“, brachte Hilfsgüter an Bord und plädierte vor laufenden Kameras für die Seenotrettung, die „Baby-Trump“ Salvini unterbunden hatte – eine publicityträchtige Unterstützung, für die ihn der im August noch amtierende Salvini beschimpfte.

Seit Langem ist Geres Einsatz für die Menschenrechte, auch mit einer Stiftung für indigene Völker, ein zweites Markenzeichen neben der Hollywood- Karriere. Sein Image als Frauenschwarm, Mann mit Schlafzimmerblick und Stilikone, das er in 60 Genrefilmen nicht immer erfolgreich als Gegengift zu den Rollenbildern von Clint Eastwood und John Travolta zelebrierte, ist schon sein halbes Leben lang um die Facette ergänzt, Buddhist, Freund des Dalai Lama und zurückgezogen lebender Skeptiker des Showbusiness zu sein.

Sein Rollenspektrum aber fußt auf eben dem Betrieb um weichgespülte romantische Komödien, Tränendrüsen-Dramatik und Thriller-Spannung, für die die Produktmaschinerie des amerikanischen Unterhaltungskinos immer neue Varianten entwickelt. 2019 gehörte ein Wechsel ins gerade heiß laufende Serienfach dazu: Für die BBC verkörperte der inzwischen silberhaarige Richard Gere in „MotherFatherSon“, einem Familiendrama und Sittenbild der Upper Class, einen Medienmogul.

Angefangen hatte es 1978 mit einem Foto von Herb Ritts, auf dem Richard Gere in Jeans vor einem mythischen Oldtimer zu sehen war und sich mit gereckten Muskelarmen als Posterboy präsentierte. Da lagen bereits zehn Jahre eiserne Brotarbeit in Musicals und Theaterstücken hinter ihm. 1949 in Philadelphia als Spross einer protestantischen Familie geboren, entdeckte er in der Highschool die Lust an Musik und Theaterspiel. Ein Sport- und Philosophiestudium brach er ab, um sich learning by doing in Musicals und kleinen Rollen am Broadway durchzuschlagen.

Als Jazz-Trompeter Dixie Dwyer unter den schwarzen Musikern des Cotton Club holte er in Francis Ford Coppolas gleichnamigem Epos seine jugendlichen Talente wieder hervor, und in „Darf ich bitten?“ (2004), einer der vielen auf ihn maßgeschneiderten Romantic Comedies, feierte er nochmal mit Verve seine Leidenschaft fürs Tanzen.

Unter seinen Filmen gibt es viele gute Thriller

Was immer ihm seine Kritiker zu Recht als aalglatt, oberflächlich und kitschig vorhielten, trifft auf seine größten Erfolge zu, etwa „Pretty Woman“ (1990), wo er Julia Roberts als junge Prostituierte mit der Welt der Superreichen bekannt macht. Auch „Ein Offizier und Gentleman“ (1982) war als Loblied auf die amerikanische Armee schwer zu ertragen. Nach einem Jahrzehnt gewaltfixierter Machos und Born-to-be-wild-Abenteurer im Kommerzkino versprach der Beau mit den „lächelnden Augen“, wie Pauline Kael, die Grande Dame der amerikanischen Filmkritik, ihn einmal gnädig charakterisierte, jedoch einen neuen Leinwandtyp.

2010 gewann Richard Gere die Goldenen Kamera in der Kategorie "Bester Schauspieler international".
2010 gewann Richard Gere die Goldenen Kamera in der Kategorie "Bester Schauspieler international".

© Gero Breloer/dpa

In Terence Malicks traumhaft schönem Südstaatendrama „Die Glut des Südens“ (1978) versuchte er als armer Wanderarbeiter aus Überlebenstrieb eine Ménage à trois, die ihn in den Abgrund zieht. Paul Schraders Thriller „Ein Mann für gewisse Stunden“ mit Gere als melancholischem Escort in Los Angeles, der in einen Thriller verwickelt wird, machte ihn zur hippen Stilikone.

Inmitten der kalten materialistischen Kulisse von Los Angeles verliebt sich der Callboy in eine Politikergattin. Dekorative Lichtmuster auf seinem Körper, vor allem in den Sexszenen, gehörten von da ab zur Grundausstattung seiner Filme. Unvergessen die Szene, in der sein Versuch scheitert, den Gangster, der ihn bedroht, in letzter Sekunde vor dem tödlichen Sturz vom Balkon zu retten, als dessen Füße aus den Stiefelletten gleiten.

Thriller, in denen smarte Gesellschaftslöwen ihre dunkle Kehrseite präsentieren, gibt es viele unter seinen Filmen. In „Zwielicht“ (1996) spielte er einen Strafverteidiger, dessen raffinierte Strategie durch die Psychospiele seines Mandanten rettungslos zerschossen wird. Einen anderen Anwalt, ein hochelegantes und recht windiges Exemplar des Berufsstands, verkörperte er in dem atemberaubenden, mit dem Golden Globe ausgezeichneten Musical „Chicago“ (1982), in dem er mit Lug und Trug ein Showgirl aus dem Gefängnis zu holen versucht.

In „Der Schakal“ nahm er es als verurteilter IRA-Scharfschütze mit hochkarätigen Killer-Agenten auf, im Eifersuchtsdrama „Untreu“ (2002), einem amerikanischen Remake nach Claude Chabrol, brachte er einen Nebenbuhler mit jener Schneekugel zu Tode, die er als Geschenk für seine Frau gekauft hatte. „Arbitrage“, ein 2012 auf dem Sundance Festival gefeierter Thriller, zeigte ihn als Hedgefonds-Manager, der in einen Unfall verwickelt wird und seine Fahrerflucht vertuschen will. Ein Kritiker nannte Richard Geres Lebenswerk einmal einen Eintopf aus Zustandsberichten über die Gesellschaft. Mag sein, aber an seinem siebzigsten Geburtstag an diesem Samstag schaut er bestimmt gelassen darauf.

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