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Der RIAS Kammerchor.

© Matthias Heyde

RIAS Kammerchor: Grüße aus Mariazell

Unüberbietbar: Der RIAS-Kammerchor und Chefdirigent Justin Doyle begeistern mit einer Haydn-Messe.

Was soll man an diesem Auftritt des RIAS-Kammerchor mit seinem Chefdirigenten Justin Doyle mehr bewundern: Das mutige Programm, das eine opulente Haydn-Messe einfach zerschneidet und diese durch Einschübe weniger bekannter Zeitgenossen ganz neu beleuchtet? Oder doch einfach die schier unüberbietbare Qualität der Darbietung, die jenseits aller schon sprichwörtlichen Perfektion durch ihre Lebendigkeit und Flexibilität fasziniert?

Joseph Haydns „Missa Cellensis“ ist allein schon eine Entdeckung wert. Der Titel bezieht sich auf den Wallfahrtsort Mariazell in der Steiermark, den der junge Komponist nach Abschluss seiner Chorknabenzeit besucht hatte, buchstäblich vor dem Nichts stehend. Selten hat man ein fröhlicheres, optimistischeres „Kyrie eleison“ gehört – 1766 war die Unsicherheit der kärglichen Anfangsjahre überwunden, die Zeit für Danksagungen gekommen. Geschlossenheit und weiche Klangfülle zugleich zeigt hier der Chor, Beweglichkeit im ersten großen Fugato zu den freudig aufschießenden Violinläufen der Akademie für Alte Musik. Egal, ob das Leiden Jesu am Kreuz, die Schrecken der Hölle oder die Freuden des ewigen Lebens beschworen werden – stets animiert Justin Doyle zu reichen dynamischen Schattierungen, zu weit ausschwingenden melodischen Bögen und insgesamt zu einer Ausdrucksdifferenzierung, die den schnell wechselnden Charakteren der punktgenauen Liturgievertonung äußerst gerecht wird.

Vom diskreten Continuospiel über prachtvolle Trompetenstöße

Ein in klarer Natürlichkeit der Diktion wohlabgestimmtes Solistenquartett steuert Ruhepunkte im choristischen Überschwang bei: Die höhen- und koloraturensichere Sopranistin Johanna Winkel im „quoniam tu solus Sanctus“, die sich mit der Altistin Sophie Harmsen zum berührenden „Qui tollis peccata mundi“ vereint; Benjamin Bruns, der die langen Haltetöne des „et incarnatus est“ mit tenoralem Schmelz auskostet, Wolf Matthias Friedrich mit weitem Ambitus seiner Bassstimme, die im „Agnus Dei“ allerdings ein wenig manierierte Ausdruckskraft aufbringt.

Nach dem jubelnd herausgeschleuderten letzten „Amen“ des „Credos“ erklingt ein wunderbar vollstimmiges, in der Harmonik fast Schubertsche Gefilde berührendes „Ave Regina“ des jüngeren Haydn-Bruders Michael; sein etwa eine Generation älterer Kollege Georg Reutter der Jüngere scheint seine „Motette“ geradezu für die Kehle der Sophie Harmsen geschrieben zu haben, so natürlich, so freudig wirken ihre brillanten Koloraturen und kraftvollen Spitzentöne. Immer mehr scheint die Musizierfreude aller Beteiligten zuzunehmen, vom diskreten Continuospiel über prachtvolle Trompetenstöße bis zur letzten Blockflöte – Doyle agiert wie ein Fisch im Wasser, aufmerksam, zugewandt, beschwingt – bis es zu einem in seinen chromatischen Abwärtsgängen erstaunlich herben „Dona nobis pacem“ kommt, Haydns „Missa“ als nachdrückliche Bitte um Frieden in ernsten Zeiten beschließend.

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