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Tanz-Solo Edelstahl 1993, eine Arbeit von Karl Menzen.

© René Moritz

Retrospektive des Bildhauers Karl Menzen: Der Metallist

Von der Poesie der Geometrie: Eine Retrospektive mit Arbeiten des jüngst verstorbenen Bildhauers Karl Menzen.

Plötzlich war er weg. Überraschend holte der Tod Karl Menzen im letzten November aus dem Atelier. Jetzt sind nur noch seine Skulpturen da: die tonnenschweren aus sanft glänzendem Edelstahl und die federleichten, im Skizzenmodus aus Papier gefalteten.

Der neue Leiter von Schloss Britz, Martin Steffens, breitet in den Erdgeschossräumen und draußen im Gründerzeitpark eine veritable Retrospektive des Bildhauers und Freundes aus. Das meiste kommt frisch aus dem Atelier in Groß-Ziethen, das nun zum Nachlass-Hort geworden ist.

Dort hat Steffens aus dem Vollen geschöpft und auch hervorgeholt, was Menzen selten öffentlich zeigte. Seine in sattem Schwarz auf Japanpapier getuschten Skizzen, mehr Kalligrafie als Vorstudie, und die vielen anderen Bildhauerzeichnungen geben nun im klugen Zusammenspiel mit den Plastiken einen Eindruck, wie dieser Künstler arbeitete und formend dachte. Sein Material war das Metall, vor allem der starre, starke, kühle, silbrige Edelstahl (Schloss Britz, Alt-Britz 73, bis 1. 8.; Di. bis So. 12-18 Uhr. Galerie am Klostersee. Lehniner Institut für Kunst und Kultur, Zum Strandbad 39, Kloster Lehnin. https://kunstortlehnin.de/).

Unter Menzens Händen wird der technoide Werkstoff sanft, zeigt sich biegsam, ja anschmiegsam und manchmal fast schwerelos. „Metallflüsterer“ nennt ihn Martin Steffens, der zuvor das Festival 48 Stunden Neukölln leitete.

Dort in der Fuldastraße hatte Menzen lange seine Werkstatt, dritter Hinterhof, mit viel Platz für die im Freien auf ihre feine Rostpatina wartenden Großskulpturen.

Der Umzug ins Umland war ökonomischen Gründen geschuldet, verwurzelt blieb Menzen in Berlin. Einige seiner Setzungen haben sich ins Urbane eingenistet. Am Ku’damm etwa krönt in luftiger Höhe eine über sechs Meter hohe Dachskulptur einen runden Kopfbau.

So eilig hat es die große Schwester, draußen im Stadtraum, nicht

Kreisrund ist auch die exakt geometrische Grundform, aus der Menzen das plastische Gefüge geschnitten und aufgebogen hat. Das 1:10-Modell, selbst eine vollwertige Skulptur, kreist in der Ausstellung elektrogetrieben um sich selbst.

So eilig hat es die große Schwester, draußen im Stadtraum, nicht. Sie dreht sich im Laufe eines Jahres ein einziges Mal um die eigene Achse und zeigt sich „…von allen Seiten schön“, so der Titel.

Er zielt auf den Kern von Menzens Schaffen. Erst wer sich um seine Arbeiten herumbewegt, lernt sie kennen. Überraschungen inbegriffen: Wie sich hier die streng geometrischen Formen auffalten, in den Raum dehnen und doch wieder zur plastischen Einheit zusammenfinden, ist meisterhaft.

Begonnen hat der 1950 in Rheinland-Pfalz geborene Karl Menzen als Ingenieur für Werkstoffwissenschaften mit TU-Diplom. Aber künstlerische Flausen hatte er schon vorher im Kopf. Mit seinem Lehrer, dem Bildhauer Volkmar Haase, blieb er bis zu dessen Tod befreundet. Die beiden teilten die Liebe zur Geometrie und zum Stahl. Dass Haase der berühmtere war und mehr große Projekte realisieren konnte, hat Menzen wohl gezwickt.

Aber eine Plastik zeigt ihre Qualität nicht unbedingt im großen Format. Gerade die kleinen und mittleren Stücke in der Ausstellung zeigen, was Menzen selbst so formulierte: „Skulptur ist gefrorene Musik.“

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Die Werkschau startet mit einer Gruppe früher Arbeiten aus den 1980ern, noch aus dunkel patiniertem Massivholz. Ihre stelenartig sich in die Höhe staffelnden Rhythmen erinnern an Constantin Brancusi oder Rudolf Belling, die Klassiker gegenstandsfreier Bildhauerei.

Aber nur einen Schritt weiter und Menzens „Tanz“ hebt buchstäblich ab von der Bodenschwere. Die Stahlplastik schwingt gänzlich abstrakt ein Bein, balanciert sich anmutig aus und reckt ihre Spitzen wie Flügel in den Raum. Dabei ist all diese gewitzte Poesie aus einem rechteckigen Stück stabilen Stahlblechs geschnitten.

Menzens umfangreiche Serie der „Transformationen“ im Nachbarraum basiert auf dem gleichen scheinbar simplen Prinzip. Nur durch Falten, Biegen und Umklappen formt er aus einer schlichten Metallplatte Gebilde, die komplex den Raum gestalten.

Eine davon breitet sich vor der Gründerzeitvilla auf dem Rasen aus. Die kantig in die Breite geklappte Konfiguration ließe sich zusammenschieben wie eine Postkarte. Im Koffer nahm Menzen eine solche Arbeit mit nach Indonesien, wo er zu einem Künstleraustausch eingeladen war.

Ein wilder Haufen kleiner Pappmodelle in einer Vitrine erzählt von der Lust des Ausprobierens. Und von der Poesie der Geometrie.

In Lehnin am Klostersee gibt es einen Skulpturengarten, wo einige von Karl Menzens Arbeiten dauerhaft im Freien zu sehen sind. Im dortigen „Institut für Kunst und Kultur“ hat der Bildhauer über die Jahre mehr als 100 Ausstellungen mitkuratiert. Die laufende Trioausstellung „Dreiklang“ ist die letzte mit seinen eigenen Plastiken, die er noch selbst aufbauen konnte.

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