zum Hauptinhalt
Lebenslustig. Resi Langer entwickelte als Rezitatorin von Gedichten einen ganz eigenen humorvoll-eleganten Stil.

© Ullstein bild

Resi Langer und ihre Gedichte: Die Marquise von nebenan

Wiederentdeckung einer umtriebigen Künstlerin: Der Band "Rokoko und Kinotypen" würdigt die Berliner Dichterin, Schauspielerin und Rezitatorin Resi Langer.

„Zur weißen Perücke stehe ich außerordentlich freundlich, weil ich das Rokoko so liebe.“ So beantwortete die Vortragskünstlerin Resi Langer die Frage nach der grassierenden Perückenmode, die der „Film-Kurier“ ihr und anderen Bühnen- und Filmdiven wie Asta Nielsen, Valeska Gert und Anita Berber im Februar 1925 gestellt hatte. Langer machte sich allerdings nicht nur um den hoch aufgetürmten Kopfputz des 18. Jahrhunderts verdient – er sei genau das Richtige für Frauen mit „Caprice“ –, sondern auch um die dazugehörige Literatur: In der Jahren vor dem Ersten Weltkrieg rezitiert sie Rokoko-Gedichte in Berlin – stilecht im Kostüm der Aufklärungszeit. 1913 erscheint ihre Sammlung „Rokoko. Ein lyrisches Flugblatt anonymer Autoren“.

Doch das war nur die eine Seite der umtriebigen Künstlerin. Die andere agierte im allerneuesten Medium: dem Stummfilm. Als Filmschauspielerin reflektiert sie ihre Einsichten in die Traumfabrik in den kurzen, prägnanten Essays, betitelt „Kinotypen“ (1919). Beide Seiten bringt die nun im Wallstein-Verlag erschienene Edition „Rokoko und Kinotypen“ zusammen – eine liebevolle Hommage an eine Berliner Künstlerin, die das Kulturleben vor und nach dem Ersten Weltkrieg galant-humoristisch bereicherte.

Doch erst mal heißt es schnöde Geld verdienen: Als die 1886 in Breslau geborene Resi Langer nach der Schauspielschule 1906 nach Berlin geht, kommt sie als Sekretärin im Verlag Alfred Richard Meyers unter. Meyer dichtet unter dem Namen Munkepunke, vor allem aber gibt er die Gedichte der Avantgarde heraus – Gottfried Benn, Else Lasker-Schüler, Max Hermann-Neisse und andere. Langer heftet die Werke zu „Lyrischen Flugblättern“ zusammen und beginnt sie öffentlich vorzutragen. Als der Expressionist Ernst Stadler sie auf die verspielte, erotische Lyrik des Rokoko aufmerksam macht, nimmt sie auch diese in ihr Repertoire auf. Mit den Gedichten Christian Morgensterns und Wilhelm Buschs lebt sie zudem ihre humoristische Seite aus. Auch ihre Filmrollen, so 1912 als Debütantin in „Der Ulk im Film“ oder zuletzt in „Ferien vom Ich“ (1934), sind im komischen Fach angesiedelt.

Resi Langer emigriert 1939 über Italien und die Philippinen in die USA

In ihren Vorträgen entwickelt Resi Langer einen ganzen eigenen Stil, der sich bewusst von den „Rezitationen“ etwa einer Adele Sandrock absetzt. Langer erscheint vielmehr als Mischung aus eleganter Marquise und rustikalem Nachbarsmädel, zugleich aristokratisch und proletarisch. Der Dadaist Richard Huelsenbeck, nach der kurzen Ehe von Langer und Meyer und vor Hugo Ball ihr Geliebter, nennt sie eine „Vortragskünstlerin von Rang“, Max Brod später im „Prager Tageblatt“ begeistert eine „Meisterin“.

Allerdings gelingt es dieser Meisterin nicht, wie sie im Rückblick schreibt, „neben meiner geistigen Leistung auch noch körperliche Freiübungen (Den rechten Arm streckt!) zu machen“. Nach 1933 kann sich Langer zunächst noch mit Rundfunk und Modenschau-Ansagen über Wasser halten, dann muss die in dritter Ehe mit dem jüdischen Arzt Stefan Meisel Verheiratete emigrieren. Die Stationen ab 1939: Italien, die Philippinen, schließlich die USA. In Manila betreibt sie eine Apotheke, in New York einen Kiosk im Foyer eines Kaufhauses. Als 82-Jährige kommt sie schließlich nach Berlin zurück, besucht mit den Enkeln die Varietés der Stadt und beendet die Abende in Künstlerlokalen, wo sie auch gerne mal selber etwas vorträgt. Sie stirbt 1971.

Die von Regina Nörtemann, Johanna Egger und Jeanette Wiede vorgelegte, mit Kommentarteil versehene Edition „Rokoko und Kinotypen“ verbindet einen Seitenpfad der Literaturgeschichte – Wie kam das Rokoko ins 20 .Jahrhundert? – mit der frühen Reflexionsgeschichte des Mediums Film. Dabei dominiert ein leichter und luftiger Ton. Der biografische Abriss und die zeitgenössischen Rezeptionsdokumente vermitteln das Gefühl, einer lebenslustigen, handfesten, optimistischen und zugleich verspielt-artistischen Persönlichkeit zu begegnen. Der ebenso liebevoll wie editorisch sinnvoll, weil lesefreundlich gestaltete Band lädt zur Wiederentdeckung einer Künstlerpersönlichkeit ein – ganz wie es Resi Langer, einer Frau mit Caprice, angemessen ist.

Resi Langer: Rokoko und Kinotypen. Zwölf Gedichte und zwölf Episoden. Hrsg. von Regina Nörtemann, Johanna Egger und Jeanette Wiede. Göttingen, Wallstein-Verlag. 128 Seiten, 17 Abbildungen, 16,90 €.

Zur Startseite