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Renoirs Bild „Frau mit einem Fächer“ stammt von ca. 1879.

© Image courtesy Clark Art Institute. clarkart.edu

Renoir im Städel in Frankfurt: Das Leben ein Fest

Eine Ausstellung im Frankfurter Städel zeigte Renoirs Werk in neuem Licht. Der französische Impressionist schöpfte aus der Malerei des Rokoko.

Strahlender Sonnenschein an diesem Vorfrühlings-Samstag in Frankfurt am Main, und dennoch pilgern Scharen von Kunstenthusiasten ins Städel-Museum. „Renoir. Rococo Revival“ ist die von Besuchern regelrecht umlagerte Ausstellung überschrieben, die die künstlerische Beziehung des Impressionisten Renoir zu den Künstlern des französischen 18. Jahrhunderts ausloten will.

Augenscheinlich ist Erfolg damit gleich doppelt garantiert. Denn so sehr die Bilder Renoirs bei einem breiten Publikum Anklang finden, so sehr auch diejenigen eines François Boucher, Jean-Honoré Fragonard oder Antoine Watteau.

Pierre-Auguste Renoir (1841-1919), war als ausgebildeter Porzellanmaler mit der Kunst des Rokoko bereits vertraut, als sie im Laufe des 19. Jahrhunderts eine erstaunliche Neubewertung erfuhr. Nach der Französischen Revolution jahrzehntelang als Liebhaberei des Feudaladels geschmäht, galt sie ab der Mitte des Jahrhunderts wieder als Inbegriff französischer Lebenskunst, wurde gesammelt, ausgestellt und in Büchern etwa von den Gebrüdern Goncourt gerühmt.

Neuschöpfer des Rokoko-Themas

Die Ausstellung im Städel überrascht insofern, als sie Renoir weit weniger als einen „Maler des modernen Lebens“ vorstellt, um das überstrapazierte Wort Charles Baudelaires einmal mehr zu zitieren, als vielmehr als einen Nach- und Neuschöpfer von Themen des Rokoko.

Nacktheit ist immer wieder Thema in Renoirs Werk, aber tugendhaft muss es sein.
Nacktheit ist immer wieder Thema in Renoirs Werk, aber tugendhaft muss es sein.

© Städel Museum, Norbert Miguletz

Mit seinem Œuvre deckt Renoir die Bandbreite der Sujets des 18. Jahrhunderts ab, von galanten Zusammenkünften im Freien bis zu Stillleben, von Aktdarstellungen bis zu den als „frivol“ umschriebenen Boudoir-Szenen, die den männlichen Blick auf weibliche Reize befriedigen. Die duftig-pastellene Farbigkeit und die weich gerundeten Formen der Renoir’schen Bildproduktion werden im direkten Vergleich zu den gut einhundert Jahre älteren Rokoko-Werken, den die exquisit bestückte Frankfurter Ausstellung ermöglicht, als Anverwandlung kenntlich.

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Lediglich tritt an die Stelle der adligen Protagonisten ein nunmehr bürgerliches Personal, das sich gleichwohl, wie in dem monumentalen, gut zwei Meter sechzig hohen Reiterporträt unter dem Titel „Morgendlicher Ausritt im Bois de Boulogne“ von 1873, in feudalen Darstellungsweisen gefällt.

Nackt und doch tugendhaft

Gegen Ende des Rokoko kam in Frankreich eine frühbürgerliche Tugendmalerei auf, vertreten vor allem durch Jean-Baptiste Greuze. Nicht länger die Ausschweifungen der libertins, sondern schickliche Hausarbeiten sind Thema; dazu die moralisch aufgeladene Warnung vor unsittlichem Lebenswandel junger Frauen oder aber vom hohen Wert familiären Beisammenseins.

Davon bleibt bei Renoir eher nur die sinnliche Darstellung jugendlicher Körper und schön drapierter Stoffe. Die „Badenden“ sind nackt, aber dennoch tugendhaft; gerade so, wie der Bourgeois sich seine Affären zurechtlog. Ganz und gar dem moralischen Ideal entspricht das Familienbildnis der „Kinder in Wargemont“ von 1884, nach Frankfurt entliehen aus der Alten Nationalgalerie Berlin.

[Frankfurt/Main, Städel-Museum, bis 19. Juni. Katalog bei Hatje Cantz, 39,90 €. Infos www.staedelmuseum.de – Zur Frankfurter Ausstellung läuft bei Arte/ZDF die Dokumentation „Renoir – Porträt einer Zeitenwende“ (52 min, abrufbar bis 5. April).]

Doch die Grundstimmung bleibt gleich. Das Leben ein Fest, so ließe sich Renoirs Malerei überschreiben, gäbe es nicht auch differenziertere Kompositionen wie das in Grau gehaltene Porträt des Malerfreundes Frédéric Bazille.

Doch Renoir, der stets den alljährlichen, ebenso Maßstab setzenden wie Umsatz generierenden „Salon“ mit neuen Werken beschickte – die allerdings von der konservativen Jury nicht immer angenommen wurden –, wollte nicht einfach Modernität, sondern auch Erfolg, vielmehr: Er suchte eine erfolgreiche Modernität. Für seine gutbürgerlichen Käufer schuf er genau jene aufpolierte Vergangenheit ohne Ecken und Kanten, die im Strudel des rapiden Wandels der Welt ästhetischen Halt gewährte.

Nach dieser Frankfurter Ausstellung wird man den Impressionisten Renoir nicht mehr als „Maler des modernen Lebens“ feiern können, wie etwa Manet oder Monet. Renoir griff die Kunstgeschichte seines Landes in genau jenem Maße auf, das seiner Käuferschaft das behagliche Gefühl gab, traditionsbewusst zu sein und dennoch ihrer eigenen Zeit anzugehören.

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