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Bravo, Provo! Remo Remotti in seinem Atelier.

© Gabriele Gelsi / Alamy Stock

Remo Remotti im Italienischen Kulturinstitut: Im Herzen der Bourgeoisie, am Arsch der Zivilisation

Kunst des radikalen Ausdrucks: Das Italienische Kulturinstitut widmet dem exzentrischen Multitalent Remo Remotti eine Retrospektive.

Rastlos, immer weiter. So ging es für Remo Remotti ein Leben lang. Kaum eine Kunstform, an der sich der 1924 geborene Römer nicht versuchte: Er begann als Comiczeichner und feierte Erfolge als Sänger, Bildhauer, Maler, Satiriker und Schauspieler. Dabei arbeitete sich dieser Rauschebart mit Mütze, der in seiner Heimatstadt heute Kultstatus besitzt, immer auch an der Gewaltgeschichte Italiens ab. „Ich bin im Herzen der römischen Bourgeoisie aufgewachsen, im Faschismus und in der katholischen Kirche, also in wenigen Worten: in der Scheiße.“

Das Italienische Kulturinstitut ehrt den ehemaligen DAAD-Stipendiaten und Schüler von Emilio Vedova erstmals in Deutschland mit einer Retrospektive. Historische Fotografien, Comicstrips, Skulpturen, Gemälde, über ihn gedrehte Dokumentarfilme: Kurator Gianluca Marziani eröffnet eine breite Palette an Zugängen. In den 1960er Jahren zog es Remotti nach Berlin. Er fand Anschluss an die Studentenbewegung. 1968 ging er sogar in die Stadtgeschichte ein. „Das hat der Kurfürstendamm noch nicht erlebt“, hieß es in der Zeitung über eine seiner Performances. Ein nackter Mann sei in der Nähe der Joachimstaler Straße plötzlich zwischen aufgescheuchten Spaziergängern herumgehüpft. Remotti zeigte den Berlinern seinen blanken Arsch. Er tanzte, schrie und legte sich auf den Boden – bis die Polizei ihn in eine Spandauer Nervenklinik bringen ließ.

Hartes Material und expressive Pinselstriche

Dieser Typ ist ein großer Künstler, wird Schriftstellerkollege Michele Serra später einmal über ihn sagen – und ein hoffnungsloser Irrer. Skulpturen schafft er bevorzugt aus Metall und Aluminium, mit Hammer, Bolzen und Nägeln. Seine Gemälde sind Explosionen in Ölfarben. Immer wieder bringt er Bildhauerei und Malerei zusammen, hartes Material und expressive Pinselstriche stehen in starkem Kontrast nebeneinander. Die Werke nehmen die Form von Bäumen oder Pyramiden an, den Symbolen von Leben und Herrschaft. Es ist eine Kunst des radikalen Ausdrucks.

In Italien kennt man Remotti, der 1971 in seine Heimat zurückkehrte, vor allem als Schauspieler, vorrangig in der Rolle des Exzentrikers. Einige dieser eindrucksvollen Auftritte kann man in den Dokumentarfilmen sehen, etwa als Sigmund Freud in der absurden Komödie „Sogni d’Oro“, mit der Nanni Moretti 1981 den Spezialpreis der Jury in Venedig gewann. Herrlich körperbetont spielte er da den Vater der Psychoanalyse als Spinner mit Laberflash, der seiner Mutter wie ein Maniker um den Hals fällt. Seine schrille Komik lebt von der überzogenen Geste.

Seine Lieder und Gedichte hingegen zeugen von enormer Coolness. Er beschrieb den Zweiten Weltkrieg ironisch als die schönste Zeit seines Lebens, prangerte die Selbstgefälligkeit der römischen Nachkriegsgesellschaft an oder besang Europa als „den Arsch der Zivilisation“. Der 2015 verstorbene Satiriker zelebrierte das Image des echten Kerls, des politisch Unkorrekten. Sätze wie „Narzisstische Männer werden entweder schwul oder ein Casanova“ oder Tiraden gegen „korrupte Eliten“ sind aus heutiger Sicht allerdings schwer erträglich. Dieser unbeugsame Antifaschist konnte auch in den Sound eines selbstgerechten Machos verfallen.

Italienisches Kulturinstitut, Hildebrandstr. 2, bis 22. 3.; Mo bis Fr 10 – 14 Uhr, Mi, Do bis 16 Uhr.

Giacomo Maihofer

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