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Regisseur Xavier Dolan: "Herzensbrecher" aus Kanada

„Herzensbrecher“ aus Kanada: eine etwas andere Affäre zu dritt, von und mit Xavier Dolan

Vor zwei Jahren wurde der Kanadier Xavier Dolan in Cannes zum Wunderkind ausgerufen, wegen „I killed my Mother“. Da war er gerade 19. Sein Film besaß autobiografische Züge, er spielte die Hauptrolle und zitierte außerdem die halbe Filmgeschichte. Vielleicht hatte Dolan nach Art junger Menschen Angst, alles könne wieder vorbei sein, noch bevor es richtig begonnen hat. Also legt er schon jetzt seinen zweiten Film vor. Der deutsche Verleih ist so grausam, ihn unter dem Titel „Herzensbrecher“ ins Kino zu bringen. Dolan sollte sich einen Anwalt nehmen.

„Les amours imaginaires“ lautet der Originaltitel: Es geht also um die nicht gelebte Liebe, die vielleicht deshalb wirklich unsterblich sein kann, weil sie nie die Gelegenheit hatte, am Leben zu sein. Xavier Dolan gehört der Generation an, die statt eines Abschiedsbriefs eine SMS verschickt, was ihr den Ruf einer gewissen Oberflächlichkeit eingetragen hat. Die Optik von „Les amours imaginaires“ – Zoom und Slowmotion im Übermaß – verrät, dass die virtuelle Welt ihm die vertrautere ist. Hier kann man alles widerrufen. Was wäre ein Leben ohne Löschtaste? Kurz, Menschen, die Filmtitel wie „Herzensbrecher“ mögen, können mit der Ästhetik des Films eher wenig anfangen. Für alle anderen, die dennoch der Meinung sind, die Liebe habe niemals so viele Schnitte, sei gesagt: Man sieht und hört sich hinein in Dolans Rhythmus.

Mary (souverän, aber nicht kühl: Monia Chokri) und Francis (Dolan) sind beste Freunde, als sie sich in denselben Jungen verlieben.Er heißt Nick, er hat blonde Locken, mehr lässt sich über seine Ausstrahlung kaum sagen. Ein Schönling (Niels Schneider), könnten Abgeklärte behaupten, aber welcher Liebende ist schon abgeklärt? Andererseits ahnen Marie und Francis, dass es fahrlässig wäre, ihre Freundschaft für eine so unzuverlässige Sache wie die Liebe aufs Spiel zu setzen. Die Freundschaft ist eine Tugend, die Liebe nicht. Also gibt es eine Affäre zu dritt.

Wer hat gesagt, die Liebe sei der Sieg der Unzurechnungsfähigkeit über den Zurechnungsfähigen? Auch die dazwischen geschnittenen Interviews mit Maries und Francis’ Freunden zeigen, dass die virtuelle Macht der Liebe mitunter erstaunlich nichtvirtuelle Folgen haben kann. Ein Wunderkind hat es jedenfalls nicht leicht, wenn es zum zweiten Mal auftritt. Sagen wir es so: „Les amours imaginaires“ ist das, was auf ein Wunder folgt. Kerstin DeckerInternational, Kant Kino, Moviemento, Omu: Babylon Kreuzberg, Hackesche Höfe

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