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Straßenmusiker in Berlin.

© Lars von Törne

Regeln für Straßenmusiker: Kein Dudelsack in Stuttgart

In München gibt es einen „Gesangs-TÜV“, in Dortmund feste Pausenzeiten. Für die einen ist Straßenmusik Freiheit, für die anderen Belästigung.

„How many roads must a man walk down, before you call him a man?“, singt Adrian Prath gegen den Großstadtlärm an. Einige Fußgänger auf der Frankfurter Einkaufsstraße Zeil bleiben stehen und hören dem jungen Straßenmusiker zu. Ein paar wippen mit, andere machen Fotos und Videos mit ihren Smartphones.

Mit 14 Jahren stand der Karlsruher zum ersten Mal mit Gitarre in der Fußgängerzone. Alle paar Wochen fährt der Student dafür mit dem Zug quer durch Deutschland - nach Frankfurt, Mannheim, Rostock oder Dresden.
Nur München meidet der 24-Jährige. Dort müssen Künstler bei der Stadtverwaltung vorspielen. Im Rathaus am Marienplatz prüft das Team der Stadt-Information Erstbewerber.

Mit dem Verfahren werde sichergestellt, dass die Genehmigungen nicht für öffentliche Übungsstunden missbraucht würden, erklärt Ralph Herbert von der Stadt München. „Ein kurzer, unkomplizierter Nachweis, dass der Künstler sein Instrument bereits beherrscht und auch mehr als einen Song im Repertoire hat“, verteidigt der Stadtsprecher das Konzept. Ein Eingriff in die künstlerische Freiheit der Musiker sei das nicht.

„Eine ungewollte und nicht fachliche Beurteilung“, sagt dagegen Straßenmusiker Adrian. Das Verfahren sei nicht objektiv. Musik sei das „Werk eines Künstlers“, liege in den Augen des Betrachters. Eine Bewertung ist in den Augen des Jungmusikers fehl am Platz - und diskriminierend.

„Orientalische Musik zum Beispiel ist den Ohren des Beamten vielleicht Krach“, kritisiert er. Zudem löse ein solcher Wettbewerb Druck gerade auf Anfänger aus. Nachwuchsmusiker hätten so kaum eine Chance, sich auszuprobieren. Ein erster Schritt wäre zumindest, dass beim Münchener Casting ein Musiker in der Jury sitze, schlägt der junge Mann vor.

Dortmund hat feste Pausenzeiten, Stuttgart verbietet Dudelsack

Auch Straßenmusikexperte Mark Nowakowski hält nicht viel vom Münchener Modell, kann die Beweggründe der Stadt aber nachvollziehen. Der Musikwissenschaftler hatte 2016 eine umfangreiche Feldstudie zur Straßenmusik in Berlin vorgelegt.

In der bayerischen Landeshauptstadt treffe die Szene geballt in der Innenstadt aufeinander, sagt er. Das führe schnell zu Konflikten, wenn es keine entsprechenden Regelungen gebe. In Berlin hingegen verteilten sich die Musiker gut über die einzelnen Stadtteile.

In den meisten Kommunen herrschen sehr klare Vorgaben für Musik unter freiem Himmel. Fast überall müssen sich Künstler zuvor eine Lizenz für etwa zehn Euro besorgen. In Frankfurt am Main - und auch anderswo - dürfen Darbietungen nach Angaben des Ordnungsamtes einen bestimmten Lärmpegel nicht überschreiten. An Sonn- und Feiertagen darf niemand musizieren. Wer sich nicht daran hält, riskiert neben einem Platzverweis Geldstrafen von bis zu 5000 Euro.

In Dortmund muss nach einer halben Stunde Musik eine halbe Stunde lang Ruhe sein. In Stuttgart sind Trompete, Saxophon, Dudelsack und schlagzeugartige Instrumente verboten. Auch elektrische Verstärker sind vielerorts nicht erlaubt. Hamburg untersagt Darbietungen auf dem Rathausmarkt und unter den Arkaden.

In Berlin gibt es Kritik an den Parkläufern

In Berlin sind seit Sommer dieses Jahres außerdem sogenannte Parkläufer unterwegs - ein Projekt der Senatsumweltverwaltung. Die Mitarbeiter sollen auf Grünflächen für ein friedliches Miteinander sorgen, haben einen Blick auf die Straßenmusiker.

Am Mauerpark beispielsweise fühlen sich Anwohner durch den Lärm gestört. Im Internet lassen einige Künstler ihren Frust über solche Maßnahmen freien Lauf: „Berlin hat eine weitere Stufe der Überwachung gezündet, die sich sozial tarnt und dafür sorgt, dass Kleinkunst und Straßenmusik im öffentlichen Raum noch weiter verdrängt werden“, schreibt ein genervter Musiker in einem Forum.

In der Hauptstadt hat sich inzwischen die Organisation „Berlin Street Music“ gegründet, die sich für die Belange von Straßenmusikern einsetzt. „Die Musiker bringen Leben in die Städte“, findet Musikethnologe Nowakowski.

Auch Adrian Prath wünscht sich Freiraum für die Künstler: „Man spricht sich einfach mit den anderen Musikern ab“, erklärt er mit Blick auf den meist vorgeschriebenen Platzwechsel. Nur in seltenen Fällen gebe es Streit.

Das Münchener „Casting-Modell“ ist in Deutschland einzigartig. Zwar hatte auch die Erfurter Stadtverwaltung darüber nachgedacht, doch der Widerstand war groß. In Frankfurt am Main setzt sich die Junge Union bislang vergeblich dafür ein, das Verfahren zu übernehmen. „Ziel sei es lediglich keine Reizüberflutung in Sachen Musik zu erhalten“, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung der Partei. (epd)

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