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Monika Grütters, Jahrgang 1961, ist seit 2013 Kulturstaatsministerin und nennt die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz eine zentrale Aufgabe ihrer Amtszeit.

© AFP/Christoph Soeder

Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Grütters: "Die Generaldirektion halten wir für verzichtbar"

Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Kulturstaatsministerin Monika Grütters über die Eckpunkte der Reformkommission und warum es nach der Kritik des Wissenschaftsrats von 2020 so lange dauert.

Für „nicht reformierbar in ihrer jetzigen Reform“ hält der Wissenschaftsrat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und empfahl vor einem Jahr die Auflösung des Stiftungsdachs, unter dem Berlins Staatliche Museen mit der Musikforschung, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv und das Ibero-Amerikanische Institut vereint sind. Kritisiert wurden vor allem die Museen, wegen tief gestaffelter Hierarchien und mangelnder Publikumsattraktivität. Zur dann berufenen Reformkommission gehören neben Kulturstaatsministerin Monika Grütters vier Länder-Kulturminister:innen, SPK-Präsident Hermann Parzinger und sein Vize Gero Dimter sowie rotierend je eine Leitung der betroffenen Einrichtungen. Die am Donnerstag publizierten Eckpunkte der Kommission sehen von einer Auflösung des Dachs ab, empfehlen aber einmal mehr eine größere Eigenständigkeit für die Museen. Darin sind sich alle einig, dennoch zieht sich der Reformprozess.

Frau Grütters, nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor einem Jahr folgen nun die Empfehlungen der Reformkommission. Warum wieder nur Empfehlungen, wieder verbunden mit Prüfaufträgen, etwa zur Frage, wie die Museen selbstständiger agieren können. Der Wissenschaftsrat hatte seit 2018 analysiert, wo es hakt. Wird das eine Endlosschleife?

Eine hochrangig besetzte Kommission, die über die Parteigrenzen hinweg und noch dazu in der Corona-Zeit nach nur sechs Sitzungen zu einem gemeinsamen Beschluss kommt, ist erst einmal ein Lob wert. Letztendlich entscheidet der Stiftungsrat, deshalb kann die Kommission ja nur empfehlen. Laut Satzung kann nur der Stiftungsrat Änderungen bei sich und den von ihm verantworteten Einrichtungen in die Wege leiten. Dafür hat er jetzt eine sehr gute Basis, denn inhaltlich sind die Positionierungen der Reformkommission ja klar und eindeutig.

Der Wissenschaftsrat empfahl die Auflösung des Präsidiums und der Dachorganisation. Warum sieht die Reformkommission das anders?

Die Auflösung der Dachorganisation war für den Wissenschaftsrat kein Selbstzweck, sondern dient dem Ziel, die einzelnen Einrichtungen in ihrer Eigenständigkeit und Selbstverantwortung zu stärken. Das genau ist auch das zentrale Anliegen der Reformkommission. Wir halten dafür die Auflösung des Stiftungsverbundes nicht für nötig oder sinnvoll, sondern fordern die Häuser zu viel mehr Zusammenarbeit unter einem Stiftungsdach auf. Neil MacGregor hat als einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums einmal gesagt, es gebe weltweit vier Orte, die allein mit ihren Museumssammlungen die gesamte Kulturgeschichte der Menschheit erzählen können: London, Paris, New York und Berlin. Nur Berlin mache daraus zu wenig, obwohl die 15 Museen sogar unter einem Dach sind. Deshalb habe ich die Reform angestoßen – und es wird unter diesem Dach nun sehr viel geändert.

Was genau?

Die Generaldirektion der Museen als mittlere Ebene halten wir für verzichtbar. Auch die Hauptverwaltung wird nicht als übergeordnete Instanz, sondern als Partnerin und Servicestelle gebraucht. Wir wollen den einzelnen Häusern deutlich mehr Entscheidungsrechte in Personal- und Budgetfragen geben. Allein das zu ändern, ist ein beinahe revolutionärer Akt, wenn man bedenkt, dass selbst Leihverträge einzelner Museen bisher von der Generaldirektion unterschrieben wurden.

Anstelle der jetzt noch mit Michael Eissenhauer besetzten Generaldirektion wollen die Museen sich in Clustern zusammentun, die wiederum jeweils mehrere Sprecher haben sollen. Ein Gremium anstelle eines Chefs, wo ist da die Verschlankung?

Die Cluster-Idee kam aus der AG Museen, die Reformkommission dagegen hat hier Zweifel, denn die Häuser sollen ja endlich eigenverantwortlich handeln. Deshalb wird dieser Vorschlag von Organisations-Experten noch einmal überprüft.

Die Staatlichen Museen zu Berlin, zu denen auch die Häuser auf der Museuminsel mit der James-Simon-Galerie gehören, bilden das Kernstück der Preußenstiftung.
Die Staatlichen Museen zu Berlin, zu denen auch die Häuser auf der Museuminsel mit der James-Simon-Galerie gehören, bilden das Kernstück der Preußenstiftung.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Okay, eine Stufe in der Museums-Hierarchie soll verschwinden. Dafür soll dem Präsidium ein „Kollegialorgan“ zur Seite gestellt werden. Wieder ein zusätzliches Gremium.

Eine einsame Präsidentin oder Präsident, zuständig für 2000 Beschäftigte in rund 20 Häusern, nur zum Zweck der Verschlankung − das macht weder Sinn noch ist es zeitgemäß. Im Kollegialorgan dagegen werden die Einrichtungen und auch das neue Servicezentrum repräsentiert sein, das für Personalverwaltung, Bauvorhaben, Digitalisierung und ähnliches zuständig sein wird.

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Im Übrigen sollte die Reformkommission ja keine kleinteiligen Verwaltungsstrukturen entwickeln, sondern eine politische Entscheidung darüber treffen, wie der Gründungsgedanke dieses Traditionsverbundes mit seinem aus ganz Deutschland zusammengetragenen Kulturerbe ins 21. Jahrhundert gerettet werden kann. Die Bestände haben sich in bald 65 Jahren übrigens fast verdoppelt und gehen über den einstigen „preußischen Kulturbesitz“ weit hinaus. Empfiehlt es sich, diesen Verbund und auch den Namen der Stiftung zu bewahren? Wir sind der Meinung: Ja, aber in deutlich veränderter Form: mit dezentraler Verantwortung, mit mehr gemeinsamer, vernetzter Forschung und Ausstellungszusammenarbeit, und vor allem mit einer offensiven Publikumsorientierung.

Das heißt konkret?

Die Grundfrage lautet doch: Wie löst die SPK ihre Bringschuld gegenüber ihrem Publikum und letztlich gegenüber dem ganzen Land ein? Da sieht die Reformkommission viel Luft nach oben. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wann gab es zuletzt Ausstellungen, die auch außerhalb Berlins Aufsehen erregt haben und auch andernorts in Deutschland gezeigt wurden? Die SPK kann und muss auch im Ausland deutlich mehr Strahlkraft als bisher entwickeln.

Und wie soll die Finanzierung der Preußen-Stiftung künftig aussehen, Frau Grütters?

SPK-Präsident Hermann Parzinger sitzt selbst in der Reformkommission, die von den Museen mehr Eigenständigkeit fordert, also mehr Unabhängigkeit vom Präsidium.
SPK-Präsident Hermann Parzinger sitzt selbst in der Reformkommission, die von den Museen mehr Eigenständigkeit fordert, also mehr Unabhängigkeit vom Präsidium.

© dpa/Christoph Soeder

Stiftungspräsident Hermann Parzinger sagt, es gebe zu wenig Geld für die Programmarbeit. 2020 belief sich der Ausstellungsetat für 19 Museen auf 4,6 Millionen Euro. Stimmen Sie zu?

Ich wäre die Letzte, die nicht mehr Geld für die Kultur begrüßen würde. Allein in meiner siebenjährigen Amtszeit sind die jährlichen Bundesmittel für die Stiftung um 43,6 Millionen Euro gestiegen, um ein sattes Drittel. Es kann also nicht nur am Geld liegen. Es hindert die Häuser ja auch niemand daran, mehr Drittmittel von außen einzuwerben. Andere Museen sind damit sehr erfolgreich.

Die Unselbständigkeit und mangelnde Publikumsattraktivität der Museen war doch schon Ausgangspunkt der Evaluation ab 2018. Jetzt folgt wieder eine „Road Map“, wann geht die Reise denn endlich los?

Seit Beauftragung des Wissenschaftsrats sind wir zielstrebig auf dem Weg. Ich habe immer gesagt, dass eine solche Reform mehrere Jahre Zeit in Anspruch nimmt. Nun haben wir nach weniger als einem Jahr in der Reformkommission die wichtigsten Weichen für eine neue Struktur gestellt, die zu mehr Beweglichkeit führen soll.

Bei der Umsetzung müssen viele mitgenommen werden: Im Stiftungsrat z. B. sitzen neben dem Bund 16 Bundesländer, die wesentlich mitentscheiden. Und es gab ja nicht nur die Gründung 1957, sondern auch die ausdrückliche Würdigung im Einigungsvertrag nach der langen Teilung der Kunstschätze in Ost und West. Dazu kam 1992 das Nachwende-Abkommen über die gemeinsame Finanzierung, das Helmut Kohl und die 16 damaligen Ministerpräsidenten unterschrieben haben. xx

Jetzt müssen Gesetze geändert werden. Das kann nur das Parlament, nicht die Reformkommission. Wenn wir uns im Stiftungsrat über das Ziel und die notwendigen Schritte dahin einig sind, dauert es mindestens noch zweieinhalb Jahre, bis die Reform in vollem Umfang greift. Und das ist schon eine ehrgeizige Roadmap. 

Auch über eine neue Finanzierungsstruktur soll verhandelt werden. Was schwebt Ihnen da vor?

Die Verantwortung über das gemeinsame Kulturerbe ist eine Aufgabe von Bund und Ländern. Deshalb bin ich dagegen, des Geldes wegen aus der SPK eine reine Bundeseinrichtung zu machen. Es gehen ohnehin schon 40 Prozent unseres Etats in die Hauptstadtkultur, das sehen viele Akteure durchaus kritisch. Und das Sitzland Berlin sollte als Hauptnutznießer auch künftig einen größeren Anteil zahlen als die übrigen Länder. Eine Reform ist dennoch notwendig, denn der alte Verteilungsschlüssel ist kaum mehr angemessen. Statt wie bisher den Anteil der jetzigen Bundesländer am damaligen Preußen zugrunde zu legen, könnte man ja auch über den Königsteiner Schlüssel nachdenken, wie er etwa bei Forschungseinrichtungen angewendet wird.

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Im Stiftungsrat müssen dann auch nicht mehr permanent alle 16 Länder sitzen. Warum nicht vier oder fünf, rotierend und ergänzt durch Experten, wie das bei vielen anderen Einrichtungen praktiziert wird? Dann bräuchte es auch keinen gesonderten wissenschaftlichen Beirat mehr.

Hauptnutznießer der SPK-Einrichungen ist Berlin, auch wegen des Kulturtourismus etwa am Hamburger Bahnhof. Aber das Land kann und will seinen Stiftungsanteil etwa am Bauunterhalt kaum noch aufbringen.
Hauptnutznießer der SPK-Einrichungen ist Berlin, auch wegen des Kulturtourismus etwa am Hamburger Bahnhof. Aber das Land kann und will seinen Stiftungsanteil etwa am Bauunterhalt kaum noch aufbringen.

© dpa/Jens Kalaene

Es bleibt also kompliziert, auch bei der Finanzierung?

Kompliziert ist es vor allem in der jetzigen Struktur. Ich finde es enttäuschend, dass sich einige Ländervertreter über Jahrzehnte nur wenig im Stiftungsrat engagiert haben und die Länderbeiträge schon seit 1998 gedeckelt sind. Alle Länder zusammen zahlen jetzt nur ein lächerliches Viertel der Kosten des Betriebshaushalts. Die Bauinvestitionen leistet der Bund zu 100 %. Lediglich Berlins Anteil ist nicht gedeckelt, was fair ist, denn die Hauptstadt profitiert ja ganz erheblich von den Museen. Dennoch möchte auch Berlin weniger zahlen. Aktuell sieht sich das Land außerstande, seinen diesjährigen Beitrag zum Sonderprogramm Bauunterhalt in Höhe von 3,8 Millionen Euro aufzubringen. Der Bund zahlt nun alleine, wir werden das aber an anderer Stelle kompensieren müssen.

Und womit? Wird bei der Berlinale oder den Berliner Philharmonikern gespart?

Natürlich nicht. Ich werde den Kulturhaushalt kritisch auf solche Posten hin überprüfen, die reine Berlin-Projekte ohne überregionale Ausstrahlung in unserem Haushalt betreffen. Da gibt es einige- 

Wer immer nach der Wahl Kulturstaatsminister wird, was würden Sie Ihrer Nachfolgerin in Sachen Preußenstiftung gerne mit auf den Weg geben?

Die Reform muss energisch fortgesetzt werden und sollte Eingang in den Koalitionsvertrag finden - so wie die Beauftragung des Wissenschaftsrats vor vier Jahren zum Glück ja auch im Koalitionsvertrag stand. Für wen auch immer in diesem Amt: Die Vollendung der SPK-Reform dürfte die wichtigste Aufgabe in der nächsten Zeit sein. Das sind wir den Mitarbeitern dort, dem Publikum und Deutschland schuldig.

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