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Kindheit mit Klavier. Rebecca Saunders (51) lebt in Berlin.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Rebecca Saunders: Berliner Komponistin erhält Ernst-von-Siemens-Musikpreis

Über Jahre schuf sie ein ausgefallenes Instrumentarium und filigrane Kompositionen. Nun erhält Rebecca Saunders den Ernst-von-Siemens-Musikpreis.

Der „Nobelpreis für Musik“ geht dieses Jahr nach Berlin. Hier lebt die Komponistin Rebecca Saunders seit 1997 in Prenzlauer Berg. Für ein Leben im Dienste der Musik erhält die 51-jährige Britin den diesjährigen Hauptpreis der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung, dotiert mit 250 000 Euro. Aufgewachsen ist Saunders in London in einem Haushalt, der über Generationsgrenzen hinweg von Musik erfüllt war. Allein vier Klaviere umgaben sie in ihrer Jugend, gerne lag sie unter einem Flügel, während ihr Vater spielte.

Die körperliche Erfahrung von Musik, die später so wichtig für ihr eigenes Werk werden sollte, fand hier ihren Ursprung. Saunders komponierte schon als Kind viel, ihr Instrument sollte die Geige werden, auf der sie Bach spielte – bis sie auf die Musik von Wolfgang Rihm traf. Nach einem Konzerterlebnis beschließt sie, bei ihm in Karlsruhe zu studieren: „Rihms Musik besaß für mich eine tiefe Sinnlichkeit und einen äußerst komplexen und faszinierenden Umgang mit Klangfarben. Auch die lebensbejahende Kraft seiner Musik hat mich sofort angesprochen. Ich wusste: Dort soll ich hin.“

Schon der Anblick eines Pianos setzt für sie ein Spiel in Gang

Mit Rihm entdeckte Saunders auch die Musik Galina Ustwolskayas und mir ihr eine kompromisslose Spielart von Leidenschaftlichkeit. Hinzu kommt eine tiefe Verehrung für die Werke Samuel Becketts, die den Hintergrund für viele Kompositionen von Saunders bilden. Starke Triebfedern, um musikalische Welten zu erkunden. Die Komponistin arbeitet eng mit den aufführenden Musikern zusammen, dabei ist die „schiere Körperlichkeit ihres Spielens“ stets eine wichtige Inspirationsquelle. Allein der Anblick eines Pianisten an seinem Flügel setzt für sie ein Spiel in Gang: „Es ist reines Theater. Das ist wunderschön.“

Saunders’ Raummusiken nehmen den Zuhörer mit auf eine Reise, wie beim Stationenwerk „Chroma“, das die Komponistin für die Märzmusik 2011 im Café Moskau einrichtete. Über viele Jahre hinweg schuf sie ein Instrumentarium aus 22 Klangmodulen, die sie in Gängen, Nischen, Sälen, Treppen und Aufzugkabinen verteilt. Das kann mal ein norwegisches Volkslied sein, das melancholisch mit 78 Umdrehungen in der Minute aus alten Schallrillen rinnt, ein Duo für futuristische Doppeltrichtertrompeten, ein Schwarm von Miniaturspieluhren oder aber ein Trio für Elektrogitarre, Cello und Klarinette. Der Zuhörer sucht seinen eigenen Hörpfad durch die genau durchgetaktete Klanglandschaft. Auch für Sasha Waltz’ choreografische Installation „Insideout“ schuf Saunders das akustische Gewand. Diese Zusammenarbeit lief für die Komponistin nicht ohne Erschrecken ab, weil sie die Geräusche der durch den Bühnenraum laufenden Zuschauer unterschätzt hatte.

Kompositionen mit filigranem Kern

Denn so sehr Saunders kraftvolle Akzente setzen kann, Klavierdeckel zufallen lässt und dem ewigen Ja von Molly Bloom huldigt: Ihre überaus erfolgreichen Kompositionen haben einen filigranen Kern, der die Stille zart umschließt. Das Kuratorium der Ernst-von-Siemens-Musikstiftung, dem auch ihr Lehrer Wolfgang Rihm angehört, würdigt denn auch ein Werk, „das durch seine produktive Widersprüchlichkeit, die Vielfalt klangfarblicher Nuancen und eine unverwechselbare Klangsprache sichtbare und bedeutende Spuren in der Musikgeschichte der Gegenwart hinterlässt“. Während der Literatur-Nobelpreis in einer tiefen Krise steckt, wird sein Musik-Pendant harmonisch vergeben – und konsequent: 1996 hatte Rebecca Saunders bereits den Förderpreis gewonnen.

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