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Rassismus in Kulturinstitutionen: Wut auf den Betrieb

Auf einer verunglückten Podiumsdiskussion in München wurde der Starkurator Kasper König zum Auslöser einer Debatte und eines Manifests. Was war passiert?

Kasper König ist ein anerkannter Kurator und langjähriger Museumsdirektor, seine 1977 begonnene Ausstellungsreihe „Skulpturen Projekte“ in Münster immer ein Ereignis. Nairy Baghramian, Ayse Erkmen oder Shirazeh Houshiary waren hier vertreten: alle drei Künstlerinnen, die im Iran oder in der Türkei geboren wurden und einen sogenannten migrantischen Hintergrund haben. König, so kann man sagen, verschließt sich auch als Mittsiebzigjähriger keineswegs globalen Kunstdiskursen.

Doch nun ist er Auslöser für ein Manifest, das seit gestern im Netz unter wearesickofit.wordpress.com kursiert und dessen Liste an Unterzeichnern ständig wächst. „Es kotzt uns an“, steht dort in Versalien, es folgen Punkte wie: „dass strukturelle Diskriminierungen personalisiert werden“ oder „dass mit uns gesprochen wird, aber unsere Perspektiven und Stimmen unsichtbar gemacht werden“. Die Kritiker, zu denen auch Bonaventure Soh Bejeng Ndikung gehört, der in Berlin den Projektraum Savvy Contemporary führt und als Kurator der jüngsten Documenta tätig war, wenden sich nicht allein gegen König. Doch er hat mit seinem Verhalten der Künstlerin Cana Bilir-Meier gegenüber angestoßen, dass „migrantische/Schwarze/indigene/lesbische/queere/trans Künstler*innen of Color“ nun ihre Wut formulieren: „Dass sich die großen Kunst- und Kulturinstitutionen kritisch mit Rassismus, Migration, Kolonialismus auseinander setzen wollen, dann aber nur weiße Personen die gut bezahlten und nicht prekären Jobs bekommen.“

Begonnen hat es im November in den Münchner Kammerspielen. Zur Diskussionsreihe „Kasper König &“ war auch Bilir-Meier geladen. Wohl nicht von König selbst, an dessen Vorab-Telefonat sich die Künstlerin nur zu gut erinnert. Als Teilnehmerin des Abends zum Thema „Heimat und Rechtsradikalismus“ stand sie schon fest, es ging um Details. In dem Gespräch, so Cana Bilir-Meier, habe König gesagt, ihre Kunstpreise – darunter den angesehenen Ars-Viva-Preis vom Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft – hätte wohl nur wegen ihres „exotischen Namens“ bekommen.

Die nächste Veranstaltung der Reihe ist abgesagt

Eine Bemerkung, über die sich zu Recht ebenso empört wie über den Abend selbst. Der Mitschnitt auf der Website der Münchner Kammerspiele zeigt Kasper König phasenweise unvorbereitet und auch dabei, wie er auf seinem Stuhl herumlümmelt. Später zweifelt er erneut die Kunst von Cana Bilir-Meier an. Dabei stand die Qualität ihrer Arbeiten ebenso wie die von Naumann oder Klotzek an diesem Abend gar nicht zur Debatte. Doch König führt als Beispiel gelungener Politkunst unbeirrt das Werk von Hans Haacke und damit einen Protagonisten an, der noch etwas älter ist als er selbst. Dabei geht es um Deutungshoheit, selbst über aktuellste, zeitkritische Kunst und Phänomene, die König – anders als Bilir-Meier, Jahrgang 1986 und Enkelin türkischer Migranten – kaum tangieren. Später versteigt er sich zu einer Bemerkung über „Typen, diese Arschlöcher mit ihren schicken, matt lackierten Autos, die in Kreuzberg aggressiv ihr Territoritum“ markierten.

Kasper König
Kasper König

© dpa/Friso Gentsch

König hat sich inzwischen bei Cana Bilir-Meier entschuldigt, Matthias Lilienthal als Intendant der Kammerspiele ein öffentliches Statement dazu verfasst, dass die Runde ihr Ziel verfehlt habe: „Hierzu trugen Äußerungen des Gastgebers bei, die als herabsetzend insbesondere gegenüber (Post-) Migrant*innen verstanden werden können.“ Die nächste Veranstaltung der Reihe ist abgesagt, stattdesssen arbeitet man an einer Diskussion über „Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus in kulturellen Institutionen“ für das kommende Frühjahr. Und das Manifest ist in der Welt.

Seine Anklagen und Forderungen sind berechtigt, zu den Verfasserinnen zählen neben Bilir-Meier, die sich nun betont zurücknimmt, Künstlerinnen wie Verena Melgarejo Weinandt oder Sophie Utikal. Letztere wünscht sich „mehr Debatten“ und „realpolitische Konsequenzen“. Dass sie als Podiumsteilnehmer interessant sind, solange ihre Kritik nicht die alltägliche Praxis der Institution/Person kritisiert, darf künftig nicht mehr sein.

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