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Die Kreuzberger Rapperin Yansn am Landwehrkanal.

© Kai-Uwe Heinrich

Rapperin Yansn: Schmutzige Füße, saubere Seele

Die Kreuzberger Rapperin Yansn hat einen tollen Flow, schreibt gute Texte und baut ihre eigenen Beats. Ein Gespräch am Landwehrkanal.

Am Mittwochvormittag ist noch nicht viel los am Urbanhafen. Nur ein paar Joggerinnen, Radfahrer und Pfandsammler sind unterwegs. Ein Entenpärchen watschelt etwas ziellos auf dem Rasen herum, zwei Blässhühner tuckern über die ruhige Wasseroberfläche des Landwehrkanals. Das hintere stößt plötzlich einen schrillen Ruf aus. Ob es die junge Frau mit den langen Korkenzieherlocken begrüßen will, die am Ufer sitzt? Schließlich hat sie die kleinen schwarzen Vögel mal in einem Song erwähnt – noch vor den Schwänen, die sonst immer besungen werden.

„Böcklerpark“ heißt das von Synthiestreichern und einem knatternden Beat angetriebene Lied, eine Liebeserklärung an den Kanalabschnitt zwischen Admiral- und Baerwaldbrücke. Geschrieben hat es die Rapperin Yansn, die jetzt entspannt auf der Wiese hockt – im Rücken das Urbankrankenhaus, über das sie in dem Track rappt: „Dieser mächtige Bau, so hässlich und grau. Da werden Berliner gebor’n und verschiedene Chirurgen haben auch mir zwei Mal was gerade gebog’n“. Yansn wohnt seit sieben Jahren in dem Hochhauskomplex gleich gegenüber. Auch der kommt im Anfang des Jahres veröffentlichten Song „Böcklerpark“ vor, den man auf ihrer Webseite hören kann.

In den Neunzigern entdeckt Yansn auf MTV Hip-Hop

Tonträger gibt es von der 32-Jährigen noch keine, aber gerade bastelt sie an einem Mini-Album: „In meinem Kopf ist es schon fertig, aber momentan gibt es so viele offene Projekte, da fällt es schwer, fertig zu werden“, sagt Yansn, die seit einem Jahr beim Berliner Hip-Hop-Label Springstoff unter Vertrag steht. Ihr Kalender ist gut gefüllt mit Auftritts- und Workshopterminen, kürzlich hat sie mit ihrem Label-Kollegen Torkel T ein spaßiges Video zu dem Anti-Stereotype-Song „Gender Rules“ herausgebracht und am heutigen Freitag unterstützt sie ihn bei seinem Record-Release-Konzert im Hausprojekt K9 (Kinzigstraße 9 in Friedrichshain).

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So gut lief es wahrlich nicht immer für die in Hamburg aufgewachsene Rapperin mit den strahlend grün-grauen Augen. Sie hat einige sehr weite Umwege genommen, von denen man kaum etwas ahnt, wenn man ihre mal witzigen, mal nachdenklichen und sozialkritischen Texte hört oder eine ihrer energiegeladenen Bühnenperformances erlebt. Als Teenager entdeckte die Tochter brasilianischer Eltern, die bei ihrer alleinerziehenden Mutter wohnte, beim Musiksender MTV den Hip-Hop für sich. Begeistert von Notorious B.I.G., Puff Daddy, Snoop Dogg, den Fugees und Missy Elliott beginnt sie selber, Raptexte zu schreiben.

In Hamburg geriet sie in die Drogenszene

„Leider war ich erst mal allein mit meiner Liebe zu Hip-Hop. Ich dachte immer, das entwickelt sich von alleine, ich lerne Leute kennen und wir machen tolle Sachen zusammen.“ Doch statt in die Rapszene gerät sie in die Drogenszene, als sie mit 14 zu Hause auszieht. Zunächst wohnt sie bei ihrer Halbschwester, dann im Schuppen einer entfernten Tante, es geht von Sofa zu Sofa und vom Kiffen zu härteren Sachen. „Rolltreppe abwärts“ nennt Yansn diese Zeit, während der sie allerdings immer weiter zur Schule geht.

In der Szene findet die Einzelgängerin erstmals richtig Anschluss, hat eine Clique, mit der sie alles teilt und für die sie familiäre Gefühle empfindet. „Natürlich war das ein typischer Drogentrugschluss, aber wenn man sich immer ordentlich dichtballert, kann man das eine Weile durchhalten.“ Und sie hält durch – bis zur Notunterkunft am Hauptbahnhof.

Yansn rappt über Respekt und gute Vibes

Die Kreuzberger Rapperin Yansn am Landwehrkanal.
Die Kreuzberger Rapperin Yansn am Landwehrkanal.

© Kai-Uwe Heinrich

Zum Glück bekommt sie mit 17 einen Platz in einer pädagogischen MädchenWohngemeinschaft. Sie bleibt vier Jahre, macht eine Therapie und schließlich ihr Abitur. Es folgen sechs Monate in Brasilien, wo Yansn unter ärmlichen Bedingungen in einer Kommune des „Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra“ (MST) lebt, der Bewegung der landlosen Landarbeiter. „Die Menschen dort waren wahnsinnig herzlich zu mir, haben auf mich aufgepasst und mir so vieles gezeigt.“ Als Dank schreibt sie ihnen den Song „MST“ – auf Portugiesisch, das sie dort erst fließend sprechen lernt. Er handelt unter anderem davon, hinter die Äußerlichkeiten zu blicken und das Innere der Menschen zu schätzen. Die Zeile „pès sugos, mente limpa“ (schmutzige Füße, reine Seele) hat sich Yansn in großen stilisierten Buchstaben auf den rechten Oberarm tätowieren lassen.

Sie zeigt auf ihre lila Flip-Flops und erklärt, dass in Brasilien abgesehen von Geschäftsleuten die meisten Leute solche Schuhe tragen – schmutzige Füße seien normal. Es gehe darum, nicht vorschnell zu urteilen. Respekt, Freundlichkeit, ein liebevoller Umgang miteinander, das sind Werte, für die Yansn auch in ihrem von melancholischen Pianoakkorden begleiteten Song „Good Vibez“ eintritt. „Aggrofressen im Dauermeckermodus verbessern nicht die Aussicht auf’n besseren Globus“, heißt es darin. Und weiter: „Auch wenn es für verhärtete Kids lächerlich klingt, aber ein Lächeln teilt dir mit, wie mächtig du bist.“ Gute Vibes potenzieren sich, lautet die Schlussfolgerung des groovigen Stücks, in dessen Refrain Yansn zeigt, dass sie auch singen kann.

Bei "Rap am Mittwoch" denkt sie: Das kann ich auch

Das Video zum Song hat Yansn, die ausgebildete Mediengestalterin ist und eine eigene Produktionsfirma hat, selbst gedreht und geschnitten. Auch die Musik stammt komplett von ihr – eine Besonderheit in einer Szene, in der das Produzieren und Rappen meist arbeitsteilig erledigt wird. Doch Yansn fand schlicht niemanden, der ihr etwas zulieferte. „Ich glaube, es lag daran, dass ich eine Frau bin. Irgendwann habe ich dann gedacht: Ihr könnt mich alle mal, dann mache ich es eben selber.“ Sie kaufte ihren ersten Computer im Discounter, schloss ein Mikro an, spielte eine Audioproduktionssoftware auf und begann damit, Beats zu bauen.

Stück für Stück lief es besser. Nur bis sie auf ihre innere Stimme hörte, die immer wieder von diesem leidenschaftlichen Wunsch kündete, Rapperin zu sein, dauerte es noch bis 2011. Damals besuchte sie zum ersten Mal „Rap am Mittwoch“, die legendäre Berliner Battle-Rap-Veranstaltung im Bi Nuu. „Da ist etwas in mir explodiert, weil ich dachte: Wenn der Heini da hochgehen kann, dann kann ich das auch.“ Beim nächsten Mal traute sie sich auf die Bühne und begeistert das Publikum mit ihrem Flow.

"Ich komm mir krass religiös vor gerade"

Seither fügen sich die Dinge für sie auf so magische Weise, dass Yansn sagt: „Ich komme mir krass religiös vor.“ Als sie sich zum Beispiel wünschte, in ihrer Firma kürzerzutreten und dafür eine halbe Stelle im sozialen Bereich zu übernehmen, um mehr Zeit für Musik zu haben, bekam sie zwei Wochen später ein Angebot von einer Schöneberger Schule. Dort arbeitet sie nun in der Ganztagsbetreuung und als Rap-AG-Leiterin. Hier sowie in den Workshops, die sie gibt – kürzlich sogar in Ägypten –, will sie etwas zurückgeben von der Unterstützung, die sie selbst in harten Zeiten bekommen hat. Die guten Vibes, sie schwingen im Kreis. Und sie potenzieren sich.

Konzerte: „Open Air For Open Minds“, 12. Juni, ab 16 Uhr, Wolfgang-Heinz-Str. 45–47 in Buch. „Dein Block mein Kiez“, 13. Juni, Tristeza, Pannierstr. 5 in Neukölln

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