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Der Rapper Galv.

© Sandra Müller

Rapper Galv in der Doku „Wer rettet die Clubs?": „Wir haben keine funky Politiker, die das Maul aufmachen"

Der Rapper Galv reiste für eine Dokumentation durch die brachliegende deutsche Clublandschaft. Ein Gespräch über den Kampf um Anerkennung und neue Allianzen.

Der Rapper Galv, bürgerlich Gavino Crabu, wurde 1989 geboren und lebt in Rottweil. Zuletzt erschien von ihm das Album „Villa Sanduché“ (2020, Doglessbone Rec.), das er zusammen mit dem Leipziger Produzenten Defekto veröffentlichte. In diesem Sommer kommt der Nachfolger „Vola“. Die von ihm initiierte Dokumentation „Wer rettet die Clubs?“ ist in der ARD-Mediathek zu finden.

Galv, für die SWR-Dokumentation „Wer rettet die Clubs?“ besuchten Sie im Februar kleine Veranstaltungsorte, sprachen mit Künstler:innen wie Samy Deluxe oder der Band Blond. Als Rapper sind sie aber selbst vom Kultur-Lockdown betroffen…
Eine Woche vor dem Start der Tour im vergangenen Frühling war klar, dass nichts mehr geht. Ein totaler Schock. 2020 wäre mein Jahr gewesen, endlich stabil von der eigenen Musik leben. Stattdessen hieß es: Die Konzerte fallen weg, es wird direkt existenziell und ich muss umsatteln.

Nun haben Sie die Tour zum dritten Mal verschoben. Ihr Vorsatz für 2021 auf Facebook lautet dennoch demonstrativ: „Clubs retten. Album droppen. Clubs spielen.“ Zwangsoptimismus?
Ich bin Realist und kann es mir nicht mehr vorstellen. Vielleicht wenn alles umgesetzt wird, was von der Politik versprochen wird. Aber die Strategie ist es noch immer, die Künstler zu vertrösten.

Deshalb die Idee mit der Dokumentation?
Ich habe im November das Protest-Video von Till Brönner zum Kultur-Lockdown gesehen. Endlich machte mal jemand das Maul auf! Einen Ausschnitt daraus habe ich gesampelt und den Song „Rettet die Clubs“ geschrieben. Ich wollte, dass möglichst viele aus der Branche im Video erscheinen, habe tagelang mit den Veranstaltungsorten telefoniert, wo ich auf der Tour hätte spielen sollen. Deren Geschichten waren so bitter. Das musste eine größere Plattform bekommen.

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Was hat Sie auf ihrer Reise durch Deutschlands brachliegende Clublandschaft am meisten berührt?
Normalerweise toure ich ein paar Wochen im Jahr. Es war sehr emotional, wieder an diese vertrauten Orte zu kommen. Die Leute dort waren dankbar, mal über was anderes zu reden als Streaming-Programme. Und ich konnte endlich was zurückgeben. Sonst ist man der Künstler, für den bei Anreise schon alles gerichtet ist. Diesmal konnte ich den Leuten hinter den Shows ein Sprachrohr geben. Den Türstehern, Barleuten und Bookern.

Das klingt demütig.
Ich bin davon abhängig, dass es diese kleinen Clubs gibt, die nicht bloß kommerzielle Motive verfolgen. Sie waren mein Einstieg in ein professionelles musikalisches Umfeld. Der Club ist mein Arbeitsplatz. Hier kann ich neues Publikum erreichen und Kontakte knüpfen. Alle entscheidenden Begegnungen meines Lebens habe ich an solchen Orten gehabt. Und als Konzertgänger ist es mein wichtigster Energiepool.

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Die Rostocker Hip-Hop-Gruppe Waving The Guns spricht in der Dokumentation sogar vom Club als einem „Eckpfeiler der Demokratie“…
Die Clublandschaft ist eine gesellschaftliche Jokerkarte. Ein Ort der Begegnung und Vernetzung. Leute aus verschiedenen Hintergründen finden zusammen, die sich sonst nie über den Weg laufen würden. Hier wird das praktiziert, was in Kirchen gepredigt wird: Alle sind auf Augenhöhe, vergessen ihren Alltag und zelebrieren gemeinsam etwas. In einer Stadt wie Rostock gibt es krasse Unterschiede in der politischen Gesinnung. Das „Peter-Weiss-Haus“ ist dort ein essenzieller Veranstaltungsort, wo sich Leute gesellschaftlich weiterbilden können. Wo Vorurteile revidiert werden und man sich gegenseitig bestärkt.

Die Rapper Samy Deluxe (links) und Galv in der Dokumentation "Wer rettet die Clubs?"
Die Rapper Samy Deluxe (links) und Galv in der Dokumentation "Wer rettet die Clubs?"

© SWR

Warum wird dann die Bedeutung der Clubs in der Politik oft nicht wertgeschätzt?
Weil das Ergebnis nicht messbar ist. Im Club geht es um Vibe, um Energie. Die Interessenvertretung in unserer Gesellschaft funktioniert über Lobbys. Der Fußball oder die Lufthansa haben die Kontakte. Deren Interessen wurden sofort aufgegriffen. Wenn der Laster mit den Coronahilfen durchs Dorf fährt, wird der bedient, der am lautesten schreit, auch wenn es nicht verhältnismäßig ist.

Sie kommen aus der Underground-Szene. Da ist geringe Sichtbarkeit doch tendenziell eingepreist.
Eine Quizfrage: Wie groß ist der Anteil an der Musik, die heute von den drei großen Major-Labels vertrieben wird? Warner, Sony, Universal beherrschen 90 Prozent des Marktes. Ich gehöre zu den anderen zehn Prozent, fliege völlig unter dem Radar. Hier tummeln sich viele Überzeugungstäter, die nicht ständig nach Hilfe fragen wollen. Niemand will gerne betteln gehen.

Was erwarten Sie dann von der Politik?
Da verweise ich gerne auf die Forderungen der Initiative „Alarmstufe Rot“. Der bürokratische Aufwand ist absurd hoch, wenn man Unterstützung beantragen möchte. Wir haben keine funky Politiker, die das Maul aufmachen. Merkel muss sich alle vier Jahre heuchlerisch als Fußballfan bekennen. Warum feiern Politiker aber nicht mal Bands? Ein Jahr ohne Fußball schafft man, aber zwei Tage ohne Musik würde niemand aushalten.

Auch viele Konzertgänger sitzen jetzt hilflos zu Hause.
Informiert Euch, wie es den Clubs geht! Manche haben Patenschaftssysteme. Und das Wichtigste: Geht wieder hin, wenn sie aufmachen.

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Till Brönner ist Professor für Jazztrompete, Sie sind aufstrebender Rapper. Entstehen da neue Allianzen in der Kulturszene?
Angerufen hat Brönner mich noch nicht. Meine Hoffnung ist trotzdem, dass eine Bewusstseinserweiterung stattgefunden hat. Früher war es so, dass die einen etwas als kulturell wertvoll empfanden, es für andere aber nicht relevant war. Nun sind überall Bündnisse gewachsen, Clubs arbeiten enger miteinander. Es wäre wichtig, dass daraus eine Art Gewerkschaft entsteht, um kollektiv besser dazustehen.

Ihre neue Single „Phonk Station“ wirkt äußerst zuversichtlich: „Brother, ich hab Hoffnung, der Pool ist leer, doch ich mach Kopfsprung“. Schreiben Sie schon Songs für das postpandemische Zeitalter?
Da muss ich enttäuschen, ich habe den Song vor vier Jahren aufgenommen. Jetzt passt er aber perfekt und so habe ich die Brücke in die Gegenwart gebaut.

Sie haben in der Pandemie zwei Alben veröffentlicht. Ein drittes mit dem Namen „Vola“ soll bald folgen. Obwohl kein Ende des Kultur-Lockdowns in Sicht ist.
Ich habe meinen Release-Stau gelöst. Zwei Alben spontan rausgehauen, was ich normalerweise mit einer Tour takten würde. In der Vergangenheit habe ich viel kollaboriert. „Vola“ ist seit meinem Debüt das erste Album, das ich wieder komplett konzipiert habe. Da ist viel selbstständig aufgenommen und nicht bei den Produzenten. Beat zugeschickt, Text draufgepackt.

Nehmen Sie uns mit zu dem Moment wenn Sie wieder die Bühne betreten dürfen...
Ich bin ein bisschen eingerostet und mache mir schon Gedanken, ob das alles noch läuft. Vor allem freue ich mich für die Leute im Publikum, denn es wird völlig eskalieren. Allein zeitlich. Drei Alben mit neuem Material, Das wird dann wohl ein Abend mit Opernlänge. Ich will auf jeden Fall der Letzte im Laden sein.

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