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Randy Newman.

© Barbara Gindl/picture-alliance/ dpa

Randy Newman im Admiralspalast: Ihr liebt Jesus, ich liebe Geld

Tiefe Einblicke in die amerikanische Seele: Randy Newman singt im Berliner Admiralspalast.

Auch Zyniker können liebenswürdig sein. Und liebesbegabt. Von Randy Newman stammen die allerbösesten Lieder über die Amerikaner und ihren way of life. Aber er hat auch einige der allerschönsten Liebessongs überhaupt geschrieben.

Sein Konzert im Berliner Admiralspalast beginnt er mit den rollenden Ragtime-Akkorden von „I Love to See You Smile“. Das Stück entstammt dem Soundtrack einer längst vergessenen Komödie mit Steve Martin. Mit der für ihn typischen Halbironie beschwört Randy Newman eine in die Jahre gekommene Leidenschaft und stellt auf überaus originelle Weise eine altbekannte Frage: „Bin wie ein Waschbecken ohne Wasserhahn / Was würde ich tun, wenn ich Dich nicht hätte?“ Der Sänger sitzt leicht zusammengekauert an seinem Flügel, bei „She chose me“ aus dem Broadway-Musical „Cop Rock“ fällt seine Stimme ins Falsett: „She came along / Now I’m not alone.“

Eine verhangene Ballade über einen Durchschnittsmann, der sich darüber wundert, dass „das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe“ sich ausgerechnet für ihn interessiert. Am herzzerreißendsten aber klingt, begleitet bloß von sparsamen Klavierakkorden, „I Miss You“, der Klagegesang über eine gescheiterte Liebe: „Still in my heart / After all these years / Separated by time / And now by distance.“ Anhimmelung und Selbstanklage fallen in eins: „I miss you / I miss you / I’m sorry but I do.“ Die bittere Botschaft lautet: zu spät.

Engel spielen Harfe

Newman ist 71, sein letztes Studioalbum „Harps & Angels“ erschien vor sieben Jahren. Er reist ohne Band, muss keine Neuveröffentlichung bewerben. Dafür lässt er die Zuhörer jetzt umso tiefer in seine Seele sehen. Scheinbar. Denn natürlich ist der Sänger ein gewiefter Entertainer mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung, seine kalkulierte Selbstentblößung gehört zur Show. Der ätzende Spott, freundlichst vorgetragen, machte lange seinen Markenkern aus, nun sind die zerknirschten Selbstbefragungen eines Herrn im fortgeschrittenen Alter hinzugekommen, der seit Jahrzehnten am Pfeiffersche Drüsenfieber leidet. Zu Newmans Setlist, die er jeden Abend neu zusammengestellt, gehören mehr als 30 Titel. Die Witze und Zwischenmoderationen, die er aus dem Ärmel zu schütteln scheint, changieren zwischen gut und grandios. Einige kannte man allerdings schon von seinem letzten Berliner Konzert vor drei Jahren.

„I Miss You“, erzählt Randy Newman, handelt von seiner ersten Ehefrau, die aus Deutschland stammte. Als er den Song schrieb, hatte er gerade zum zweiten Mal geheiratet. Später schildert er eine Szene aus einem Restaurant in Los Angeles, seiner Heimatstadt, wo er seine Stieftochter bittet, den Platz mit ihm zu tauschen, weil er nicht von allen Gästen gesehen werden möchte. Ihre keifende Antwort: „You are not so famous!“ Nein, so berühmt ist er wirklich nicht, und wenn Newman „I’m Dead (But I Don’t Know It)“ singt, seine makabre Moritat über abgehalfterte Rockstars, dann nimmt er sich selbst von der Zielgruppe keineswegs aus. Ein Altstar erlebte seinen kreativen Höhepunkt vielleicht mit 27 oder 28 Jahren, aber das hat ihm niemand gesagt, und weil es keinen Applaus gibt, wenn er seine Hausarbeit gut macht, ist er gezwungen, ewig weiterzutouren. Als lebender Toter. Bob Dylan, merkt der Sänger süffisant an, gibt immer noch 200 Konzerte im Jahr.

Im Gut-Drauf-Duktus

"Fünfundneunzig Prozent aller Songs im Radio, sagt Randy Newman“, sind Liebeslieder. „Und ich war so dumm, irgendwann aufgehört zu haben, Liebeslieder zu schreiben.“ Einige seiner stärksten Stücke handeln von speziellen, sehr amerikanischen Obsessionen. Die hämisch hämmernde Hymne „It’s Money That I Love“ aus dem Album „Born Again“ von 1979 beginnt mit einem Abgesang auf traditionelle Heilsversprechen: „I don’t love the mountains / And I don’t love Jesus.“ Die überschäumende Propaganda-Persiflage „I Love L. A.“, entstanden im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1984, steigert den Gut-drauf-Duktus lokalpatriotischer Begeisterung bis zum Irrsinn der Gleichschaltung: „I love L.A. / We love it.“

Randy Newman begann seine Karriere als Auftragsschreiber und veröffentlichte 1968 ein Debütalbum. Nach 16 Nominierungen bekam er im Jahr 2002 seinen ersten Oscar.Kein anderer amerikanischer Musiker hantiert souveräner mit Slogans, Schlagzeilen, Redensarten. Aus dem aufgeschnappten Material montiert Randy Newman das Kollektivpsychogramm seines Landes, ein Verfahren, das an Schriftsteller wie Richard Ford oder John Updike erinnert. Auf die Niedergangsdiagnose „It’s a jungle out there“ folgt sogleich der Einspruch des Steuerzahler-Bürgers: „Hey, who’s in charge here?“.

Der Präsident ist "Super-Putin"

Mit Pop im engeren Sinn hat Newmans Musik nichts zu tun. Sie wurzelt in der Unterhaltungsmusik aus der Ära vor der Rock’n’Roll-Revolution, in Ragtime, Vaudeville, Jazz und der orchestralen Filmmusik. In Berlin spielt Newman die Freundschaftshymne „You’ve Got a Friend“ aus dem Pixar-Film „Toy Story“. Dass es ein Trickfilm ist, fiel ihm erst nicht auf. Die Hauptfigur, ein Spielzeugcowboy, sehe doch aus wie Tom Hanks. Ein paar neue Stücke stellt er auch vor, darunter die stotternde Politsatire „Putin“, die den russischen Präsidenten als „Super-Putin“ verherrlicht. I love it, we love it.

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