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Ein roter Kreis mit zwei Scheren an der Wand: Ein Werk Monika Brandmeiers ohne Titel aus dem Jahr 1986.

© Monika Brandmeier/VG Bild-Kunst

Radikale Fokussierung auf den Moment: Ausstellung zeigt Werke von Monika Brandmeier aus 30 Jahren

Skulpturen, Zeichnungen und Videoarbeiten der Berliner Künstlerin sind aktuell in Spandau zu sehen. Die zentrale Frage: Kann kühle Kunst emotional sein?

Pflanzen wuchern in einem feucht-heißen Klima, ranken sich von einem Ort zum anderen, hangeln sich weiter. So wachsend möchte die Bildhauerin Monika Brandmeier auch ihre Kunst verstanden wissen: „Eine tropische Stimmung, nur um einiges kühler“, diesen Titel hat sie ihrer Ausstellung gegeben, die in der Zitadelle Spandau zu sehen ist.

Es ist aber nicht einfach nur ein Titel, sondern auch „ein bisschen wie ein Arbeitsvorsatz“, sagt Monika Brandmeier beim Rundgang durch die Ausstellung. Viel mehr als um die Systemfrage geht es ihr um die Temperaturfrage: Kann reduzierte, klare, kühle Kunst auch emotional sein?

Eine Antwort darauf versucht die Ausstellung zu geben: 106 Werke werden auf rund 800 Quadratmetern gezeigt, Skulpturen, Zeichnungen, Videoarbeiten und Installationen aus knapp 30 Jahren Schaffenszeit treten in einen Dialog. Da Verhältnis zum Raum ist für Brandmeier zentral.

Das zeigt sich etwa an ihrer Arbeit „Plusminusnull“ von 2010. Das Werk aus Aluminium mit einer Gummibeschichtung lehnt an der Wand, drei Beine stützen es: Das eine ist genau passend und steht auf dem Boden, ein anderes ist zu kurz, ein weiteres zu lang. Die Arbeit wird bedingt durch ihr Verhältnis zur Wand, die als Begrenzung des Raumes fungiert.

Assoziationsnetze und Potenziale zum Wuchern

Die Faszination für Ränder zeigt sich auch in dem frühesten Werk von 1982. Es entstand, als Brandmeier ein Bild malte – doch sie nahm es ab, verabschiedete sich von der Malerei. „Die faktischen Bedingungen der Kunst“ interessierten die Künstlerin mehr. Zu sehen sind also nur noch die Farbrückstände an den Stellen, an denen die Farbe die Ränder des Bildes übertreten hat. Den restlichen Rand hat Brandmeier mit Rollfilm und Klebeband markiert. Von diesen Grenzen des Kunstwerks aus können neue „Assoziationnetze“ entstehen, wie Brandmeier es nennt.

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Dieses Potenzial zum Wuchern der Gedanken wird auch von dem Werk „Immer Nie“ ausgeschöpft. Zwei Messingrohre liegen auf mit Kunststoff verkleidetem Holz, sie sind mit Rollfilm umschlungen. Eines der Rohre wird immer vor jeder Ausstellung poliert, das andere nie.

Das Werk spricht damit von Zeit, Erinnerung und Gedächtnis, aber auch von unausgeschöpften Möglichkeiten: Der Rollfilm als solches nimmt auch Bezug auf die Ereignisse, die er fotografisch hätte aufnehmen können. All diese Assoziationsräume sind bei Monika Brandmeier immer stark an das Material gebunden, mit dem sie arbeitet.

Kunst „als analoge Erfahrung“

Für die 1959 im Ruhrgebiet geborene Künstlerin soll Kunst „als analoge Erfahrung“ verstanden werden. Heute seien Kunstwerke zu oft Transportmittel für bestimmte Botschaften, sagt sie. Ihr gehe es stattdessen um die „radikale Fokussierung auf den Moment“, der auch erfahrbar sein könne ohne kunsttheoretischen oder politischen Überbau und entsprechendes Vorwissen. So kann sich jeder von Kunstwerk zu Kunstwerk hangeln, von Raum zu Raum und den sich daraus ergebenden Reflexionen.

Wer so durch die Ausstellung läuft, erfährt die Stimmung, die vor allem aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Werke entsteht – sie ist tropisch, nur eben etwas kühler.
Zitadelle Spandau, bis 19. September, Fr bis Mi 10 – 17 Uhr, Do 13 – 20 Uhr.

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