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"Hidden Sea" heißt das Debütalbum von Mia Brentano. Die Frau auf dem Cover könnte man für die Komponistin halten.

© Mons Records

Pseudonyme in der Kunst: Der Mann hinter Mia

Einst konnten Künstlerinnen ihre Werke nur unter Männernamen veröffentlichen. Heute gibt sich der Komponist Klaus Martin Kopitz als Mia Brentano aus. Warum?

Unter den vielen neuen Namen, mit denen sich die Hörerinnen und Hörer von RBB Kultur konfrontiert sehen, seit der Sender seinen Musikmix umgestellt hat, sticht der von Mia Brentano heraus. Wie schön, denkt man, eine Frau zwischen den vielen, oft alten weißen Männern. Doch die Enttäuschung folgt auf dem Fuß: Es handelt sich bei Frau Brentano um ein Pseudonym. Das sich ein gewisser Klaus Martin Kopitz zugelegt hat.

Kopitz, Jahrgang 1955, ist im echten Leben als promovierter Musikologe tätig, mit Forschungsschwerpunkten bei Ludwig van Beethoven und Robert Schumann. Lediglich die Klavierstücke, die er in seiner Freizeit komponiert, veröffentlicht er unter weiblichem Namen. Er hat sich sogar eine veritable Biografie für sein jüngeres Ego ausgedacht: Sie lebt natürlich in Berlin, hat ein Wochenendhaus am See, mag die Geschichten von Huckleberry Finn und Henry Mancinis „Moon River“. Mias Musik ist auf angenehme Weise eklektisch, unbefangen bedient sich bei der Minimal Music, bei Jazz wie Pop, sie kann sogar Spurenelemente von Klassik enthalten. „Songs“ nennt die Künstlerin ihre Klavierstücke, inspiriert von Felix Mendelssohn-Bartholdys pianistischen „Liedern ohne Worte“.

Die Medien gieren nach weiblichen Erfolgsgeschichten

Jahrhundertelang waren Frauen gezwungen, sich als Männer zu tarnen, wenn sie Kunst veröffentlichen wollten. Weil diejenigen, die in der Gesellschaft das Sagen hatten, dem weiblichen Geist schlicht die Fähigkeit zum Genie absprachen. Die Bronte-Schwestern publizierten als Currer, Ellis und Acton Bell, Amantine Aurore Dupin de Francueil nannte sich George Sand, Willy stand auf den Buchcovern von Colette. Noch in den 1960er Jahren sah sich die Malerin Margaret Keane genötigt, ihre Bilder unter dem Namen ihres Gatten zu verkaufen.

Wenn sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts nun Klaus Martin Kopitz in der Musikwelt als Mia Brentano ausgibt, hat sich dann das Blatt endlich gewendet? Ist damit der Beweis erbracht, dass Fortschritt möglich ist? Oder steckt vielleicht doch nur ein schnöder Marketingtrick dahinter? Lassen sich Kompositionen mittlerweile besser vermarkten, wenn vermeintlich eine junge Frau dahintersteckt und Mia Brentano erregt im Überangebot des Musikmarktes leichter die Aufmerksamkeit der Medien? Der mittelalte weiße Mann widmet sich unter seinem echten Namen der hehren Wissenschaft, für seine Ausflüge in die seichten Gewässer der Neoklassik aber wählt er ein weibliches Pseudonym: Ein Geschlechtertausch aus kommerziellem Kalkül, das wäre wahrlich deprimierend.

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