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Auf dem Weg zum Ruhm. Tom Schilling als Gerhard Richter. „Werk ohne Autor“ startet in Deutschland am 3. Oktober.

© Buena Vista International/Pergamon Film/Wiedemann & Berg Film

Premiere von „Werk ohne Autor“: Donnersmarck versucht in Venedig den Karriere-Neustart

Deutscher Oscar-Anwärter: Florian Henckel von Donnersmarck präsentiert seinen neuen Film „Werk ohne Autor“ auf dem Lido von Venedig.

Von Andreas Busche

Eine weiße Leinwand. Tabula Rasa. Der Maler (Tom Schilling) sitzt im Atelier vor der Staffelei und starrt in den gähnenden Abgrund. Gerade hat sein Mentor seine Arbeiten mit einem Satz vernichtet. Der Schwiegervater (Sebastian Koch) wiederum, ein Altnazi und früher Gynäkologe der NS- Eliten, nennt das Resultat dieser Schaffenskrise „eine Allegorie der Leere“. Er bietet seinem Schwiegersohn an, in der Klinik die Böden zu schrubben. Eine Erniedrigung.

Ohne gehässig zu sein, kommt man nicht umhin, die Karriere von Florian Henckel von Donnersmarck in seinem neuen Film „Werk ohne Autor“ wiederzuentdecken. Nach dem Oscar für „Das Leben der Anderen“ war er der Star schlechthin im deutschen Kino, selbst Hollywood schien zu klein für ihn. Er verwarf Drehbuchangebot um Drehbuchangebot, bis er sich schließlich für ein Skript entschied, das er seiner für würdig befand. Doch der romantische Thriller „The Tourist“ machte von Donnersmarck einen Strich durch seine Karrierepläne, der Film erntete überwiegend hämische Kritiken. Seine Zukunft in Hollywood schien vorbei, bevor sie richtig begonnen hatte. Das war vor sieben Jahren.

Es gibt wohl kaum einen geeigneteren Ort für einen Karriere-Reboot als das Filmfestival von Venedig. Das Wetter ist traumhaft, die Atmosphäre entspannter und die Fachpresse gnädiger als in Cannes, außerdem spricht die Branche dem Lido in der zweiten Amtsphase unter Festival-Chef Alberto Barbera ein goldenes Händchen zu: Einige der erfolgreichsten Oscar-Filme der vergangenen Jahre hatten hier ihre Premieren. Man könnte es allerdings auch als schlechtes Omen sehen, dass „Werk ohne Autor“ erst in der zweiten Hälfte des Festivals läuft. Die US-Filmbranche ist längst weiter gezogen, am Wochenende eröffnete das Toronto Filmfestival. Möglicherweise eine reine Schutzmaßnahme – für den Regisseur.

Die Kunst wird kursorisch abgehakt

„Werk ohne Autor“ ist gewissermaßen seine Tabula Rasa. Florian Henckel von Donnersmarck dürfte die Rückkehr nach Deutschland als Schmach empfunden haben, dennoch schmückt sich sein Film mit einem der Größten der deutschen Nachkriegskunst, ist inspiriert von der Biografie Gerhard Richters, dessen Werdegang an der Kunstakademie Dresden, wo er zum Staatskünstler der DDR protegiert wurde, seiner Flucht in den Westen 1961, den Lehrjahren an der Kunstakademie Düsseldorf.

Doch die Kunst hakt von Donnersmarck eigentlich nur kursorisch ab, ihm geht es im wesentlichen wieder um sein großes Thema: Individualschicksale im Mühlrad der deutschen Geschichte. Und der Atem ist episch, mit einer Länge von 188 Minuten. Die Richter-Figur Kurt Barnert besucht im Alter von fünf Jahren die Ausstellung „Entartete Kunst“, mit seiner labilen Tante Elisabeth (Saskia Rosendahl). Elisabeth stirbt später im KZ, eine Szene, die der Großregisseur seinem Publikum tatsächlich nicht vorenthält. Noch viel perfider allerdings ist, auch weil es viel über von Donnersmarcks Geschichtsverständnis verrät, dass er den Tod in den Gaskammern in einer Parallelmontage mit der Bombardierung Dresdens gleichstellt.

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Der Arzt, der Kurts Tante in den Tod schickt, wird später sein Schwiegervater. Mehr muss man zum Drehbuch, für das ebenfalls der Regisseur verantwortlich ist, eigentlich nicht sagen. Von Donnersmarck zurrt 30 Jahre deutsche Geschichte, drei Staatssysteme und ein Amalgam aus Künstlerbiografien mit aller Gewalt zusammen. Dass bei solchen Verkürzungen dramatische Wendungen herauskommen, die mit hanebüchen noch freundlich umschrieben sind, muss nicht verwundern.

Nur restauratives Geschichtskino

Wirklich schade ist es nur um Paula Beer, die als Kurts Frau ihrem Gatten Modell stehen darf und der neuen Bundesrepublik mit den hässlichen Altlasten ein schönes deutsches Baby schenkt. Von François Ozon zu Florian Henckel von Donnersmarck: Weiter reicht die Vorstellungskraft im deutschen Kino nicht.

Das lässt sich genauso über das Oscar- Auswahlkomitee sagen, das „Werk ohne Autor“ zum Kandidaten für den besten fremdsprachigen Film nominiert hat. Das Kalkül, einen Regisseur mit internationalem Renommee ins Oscar-Rennen zu schicken, ist nachvollziehbar – es ging allerdings schon im vergangenen Jahr mit Fatih Akins „Aus dem Nichts“ nicht auf. Aber „Werk ohne Autor“ wird das Vorurteil bestätigen, dass aus Deutschland allenfalls restauratives Geschichtskino kommt. Von „Toni Erdmann“ zu „Werk ohne Autor“: Das deutsche Kino steht wieder am Anfang.

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