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Olé, oller Ritter. Don Quixote und Sancho Pansa stören nur kurzzeitig das Corps de ballet.

© Fernando Marcos

Premiere beim Staatsballett Berlin: Schmatzende Fächer

Klassiker als Premiere: Das Staatsballett Berlin tanzt „Don Quixote“ an der Deutschen Oper. Mit dabei: Polina Semionova.

Wer sich als klassische Compagnie versteht wie das Staatsballett Berlin, für den läuten in diesem Jahr die Jubiläumsglocken, denn Marius Petipa, der die Tanzkunst prägte wie niemand zuvor, feiert seinen 200. Geburtstag. Und so erleben seine großen Choreographien neue Einstudierungen, auch der erstmals 1869 in Moskau gezeigte „Don Quixote“. Seitdem ist Petipas Erbe durch viele Hände und Füße gegangen, hat Wiederentdeckungen und Erweiterungen erlebt. John Neumeiers Hamburg Ballett entschied sich für Rudolf Nurejews Fassung, in Berlin hat der scheidende Intendant Nacho Duato die Version des ihm eng verbundenen Landsmannes Víctor Ullate ausgewählt, die dieser 1997 mit seiner Compagnie erstmals auf den Tanzboden brachte. Der einstige Lieblingstänzer von Maurice Béjart will den spanischen Aspekt des Klassikers hervorkitzeln, ohne Petipas hohe Stilkunst zu vernachlässigen.

Ullates Berliner Einstudierung steht unter keinem guten Stern. Die von einem Wassereinbruch noch immer gezeichnete Bühnentechnik der Deutschen Oper lässt nicht zu, Dekorationen im Schnürboden verschwinden zu lassen. Kulissen müssen auf Rollen gesetzt oder durch Projektionen ersetzt werden. Wegen dieser Einschränkungen hatten Les Ballets de Monte-Carlo ihr Gastspiel abgesagt. Doch die erste Premiere des Staatsballetts in dieser Saison muss stattfinden. Eine kostbare, historisch aufschlussreiche Ausstattung bringt Ullates ohnehin nicht mit nach Berlin. Im Hintergrund ist die Weite von La Mancha zu erkennen, dazu Windmühlen. Eigentlich kommt ja alles auf die Phantasie an, denn Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt, sieht die Welt anders als wir, hält sie für nobler und gefährlicher zugleich.

Etwas Flamenco soll Petipas Klassiker auf die Sprünge helfen

Man kann Petipa nicht nachsagen, dass er sich allzu sehr mit Cervantes’ Roman beschäftigt hat. In seinem Ballett geht es vor allem um ein strahlendes Paar, das täppischen Einwürfen auf und davon tanzt. Die einzigen Schwierigkeiten, die sich Kitri und ihrem Basil dabei in den Weg stellen, sind technische Hürden, die nicht nur beherrscht, sondern mit eigenem Ausdruck erfüllt werden wollen. Ob Ullate und seine Ballettmeister da die richtigen Ratgeber sind, darf nach gut drei Premierenstunden in Frage gestellt werden.

Etwas mehr Flamenco soll es nach ihrem Willen sein, es muss viel geklatscht und Olé gerufen werden, eine Gitarre löst sich verstärkt aus dem Orchesterklang, (solide am Pult: Robert Reimer) während Fächer sich schmatzend öffnen. Das fordert viel Aufmerksamkeit vom Staatsballett, ohne dass daraus neue Bewegungsimpulse oder größere Bühnenpräsenz erwachsen würde. Es schürt nur die unstillbare Sehnsucht nach etwas ganz anderem, jenseits eines lediglich neu dekorierten Museums. Polina Semionova, die als Gast alternierend mit Iana Salenko die Kitri tanzt, fühlt sich im grob-pantomimischen wie im spanischen Spiel zunächst sichtbar unfrei und braucht lange, um zu leuchten. Marian Walter als Basil fremdelt trotz aller Kraft mit seiner Liebsten, deren körperliche Größe ihn vor Aufgaben stellt, zu deren Bewältigung die Choreographie nichts beiträgt.

Die Crux des Abends liegt darin, dass er niemanden weiterbringt, weil er weder die strenge Schule in der dafür nötigen Perfektion noch Durchschlupf für individuelle Sichtweisen zu bieten hat. Auf die designierten neuen Chefs Sasha Waltz und Johannes Öhman kommt viel Arbeit zu. In einer Woche wollen sie ihre Pläne für die Saison 2018/19 vorstellen.

Wieder am 22. Februar sowie am 4. und 15. März

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