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Szene aus "Die Weise von Liebe und Tod"

© Matthias Heyde / Neuköllner Oper

Premiere an der Neuköllner Oper: Held ohne Hoffnung

Rausch des Krieges: Die Neuköllner Oper interpretiert Rilkes lyrische Erzählung „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“.

Es war einer der ersten Bestseller der Literaturgeschichte: Rainer Maria Rilkes 1899 verfasste lyrische Erzählung „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“. Sie schildert das Schicksal eines Vorfahren des Dichters, der 1663 im Türkenkrieg gefallen war. Das kurze Werk setzt sich mit dem Heldentod und der Kriegsverherrlichung auseinander, mit dem Heroismus des Sieges, aber auch mit der Sinnlosigkeit des Kampfes. In den zwei Weltkriegen trugen deutsche Soldaten Rilkes „Cornet“ im Gepäck. Es war ein Text, der zum Gefühl einer Generation passte, die sich besinnungslos in den Untergang stürzte.

Die Neuköllner Oper macht die zwiespältige Rezeptionsgeschichte zur Grundlage, um den Stoff völlig neu zu lesen. Der Schauspieler Dennis Herrmann und die Sopranistin Hrund Ósk Árnadóttir sprechen die Erzählung nach. Sie fühlen sich in den Rausch des Soldaten ein; in seine Freundschaft zu einem Franzosen auf dem Weg nach Ungarn; in seine Liebe zu einer Fürstin in einer Nacht auf einem Schloss. Aber auch die Kampfeslust spielt eine Rolle.

Fragen, auf die es keine Antworten gibt

An diesem Abend steht der Text nicht für sich allein: Der Pianist Markus Syperek sitzt am Flügel und spielt die 1944 entstandene Vertonung der Prosadichtung von Viktor Ullmann. Entstanden ist die Komposition nach Rilke-Ausschnitten im Ghetto von Theresienstadt, bevor Ullmann als Jude nach Auschwitz deportiert und ermordet wurde. Warum war Ullmann von Rilkes Werk so fasziniert, das die Nazis schändlich missbrauchten? Warum wählte er einen urdeutschen Text für seine Vertonung, kurz vor seinem Tod in der Gaskammer?

Das Ensemble geht diesen Fragen nach, ohne Antworten zu haben. Die Kommunikation zwischen Darsteller und Sopranistin wird zu einem Ringen um Worte. Die Verse werden impulsiv vorgetragen, sie hallen wie Echos durch den Raum. Das Bühnenbild ist schlicht: Eine offene Box steht im Zentrum, die mit weißen, flatternden Leinen lose bedeckt ist. Darin sitzt der Pianist am Flügel und interpretiert Ullmanns Werk. Es erklingt in einer Neufassung von Malte Giesen und dem Regisseur Fabian Gerhardt, die Synthesizereffekte in die Partitur gemischt haben. Im zweiten Teil, als Rilkes Soldat von türkischen Truppen angegriffen wird und dabei umkommt, werden Bilder von Theresienstadt auf eine Leinwand projiziert. Es ist der Versuch, das Unsagbare zum Sprechen zu bringen. Was jetzt hilft, ist Schweigen.

wieder am 21. bis 23. 9., 20 Uhr. Weitere Vorstellungen bis 19. Oktober

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