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Preisträgerausstellungen in Berlin: Licht und Feuer

And the winner is? Mit der Kunstsaison beginnen in Berlin die Preisträgerausstellungen. Sie sollen Starthilfe für den Nachwuchs leisten - und bieten durchaus starke Werke.

Der Gewinner strahlt wie ein Weltmeister. Der Kunstpreis des Hauses am Kleistpark 2017 geht an Paris Giachoustidis. Der 27-jährige Grieche und Absolvent der Kunsthochschule Weißensee sucht seine Vorlagen im Internet, überträgt sie fotorealistisch ins Großformat und übermalt sie mit kruden Pinselstrichen. „horny tourist takes a look at topless girl who just wants to go home“ lautet der Titel des preisgekrönten Werks, das vom Schwarzweiß-Foto einer indigenen Frau ausgeht. Der Künstler hat ihr Gesicht mit einer surrealen Vogelmaske übermalt und verwandelt so die lüsternen Blicke der Kolonialgesellschaft auf die Barbusige in eine Groteske.

Zum Saisonauftakt werden in Berlin Preisträger präsentiert. Vor der Short List zum Preis der Nationalgalerie für junge Kunst am 28.9. startet das Haus am Kleistpark mit der Ausstellung „Capriccio“. 19 Künstler bewarben sich um den mit 5000 Euro dotierten Preis im Rahmen kommunaler Künstlerförderung (Grunewaldstr. 6-7, bis 1. 10.). Das ist viel Geld, gerade für Berufseinsteiger. Dennoch stellt sich die Frage, ob das Format nicht nachhaltiger greifen kann.

Lustvoller Regelverstoß

Der Hamburger Bahnhof und die benachbarte Netzagentur 50Hertz machten das kürzlich mit ihrer klug konzipierten Kooperation vor: Die Ausstellung mit Absolventinnen der Kunsthochschulen in Berlin, Hamburg und Leipzig war nicht mit einem Preis verbunden, sondern mit der soliden Betreuung durch das Museum sowie einem Katalog – nützlich für weitere Bewerbungen.

„Capriccio“ im Haus am Kleistpark zeigt phantasievolle Arbeiten, aber in der Fülle setzen sich nur wenige durch. Für „Territory“ hat Yvon Chabrowski ein Video in den Fußboden eingelassen. Von oben sieht man eine dicht gedrängte Menschenmenge, in der sich alle mit den Ellenbogen Raum verschaffen. Da überträgt sich die Raubeinigkeit des aktuellen Nationalismus körperlich. Paula Muhr wandelt auf den Spuren von Meret Oppenheim, wenn sie in historische Fotos von Patientinnen der Pariser Nervenheilanstalt seltsame Objekte montiert. Die Originale entstanden als Dokumente für weiblichen Wahnsinn. Paula Muhr lässt Spinnen über das Bett krabbeln, verschließt den Mund mit einer stachligen Kastanie oder legt einer Kranken Moos in den Schoß. „Capriccio“ bezeichnet den lustvollen Regelverstoß. Aber wird dieser eingefordert, entsteht schnell eine neue Regel. Und wie geht es weiter nach dem Preis?

Die Auslober des Preises „Gute Aussichten – Junge deutsche Fotografie“ versuchen in diesem Jahr eine Anschlussfinanzierung. Erstmals wurde eine frühere Preisträgerin für ein Stipendium zur Produktion einer neuen Arbeit ausgewählt. „40h, max. 2 Monate (work in progress)“ von Stefanie Schroeder ist jetzt im Museum für Fotografie zu sehen (Jebensstr. 2, bis 8. 10.). Da stimmt eigentlich alles, der „Gute-Aussichten-Grant“ hilft über die Hürde zwischen Studium und Professionalität. Der Kontakt zum Museum ist geknüpft, nur ist die Präsentation lieblos. Im leeren Raum sind zwei Monitore aufgestellt, Kabel hängen herab, Bürostühle stehen für die Besucher bereit. Das mag der Kälte des Motivs entsprechen, wirkt aber abwertend. Schroeder macht ihre prekäre Situation zum Thema ihres Films.

Das Medium Fotografie von seiner stärksten Seite

Dass es anders geht, zeigt eine Preisträgerausstellung in der Neuen Schule für Fotografie mit Arbeiten der Finalisten für den Leica Oskar Barnack Award 201 (Brunnenstr. 188-190, bis 15. 10.). Der mit 25 000 Euro dotierte Preis richtet sich an etablierte Fotografen, für Youngster gibt es eine eigene Kategorie. Das Ergebnis in diesem Jahr sind exzellente Langzeitprojekte. Viele der Fotoserien handeln vom Untergang bedrohter Traditionen. Der Gewinner, der Norweger Terje Abusdal, folgte den sogenannten Waldfinnen, die im norwegischen Finnskogen siedeln und in der Vergangenheit ihre Felder mit Brandrodung urbar machten. Der Fotograf integriert Feuer und Rauch als magische Kräfte in die Bilder einer von Mystik bestimmten Welt.

Alle Serien gehen weit über den spektakulären Moment hinaus. Selbst Gideon Mendels Porträts von Flutopfern überall auf der Welt bleiben nicht bei der Katastrophe stehen, sondern konfrontieren die Besucher mit dem Innersten der Menschen. Jenseits der Erschöpfung verharren sie mit müdem Blick machtlos im Wasser. Das Medium Fotografie zeigt sich hier von seiner stärksten Seite. Es überzeugt nicht mit super Location oder politischem Auftrag, sondern mit Geschichten und tollen Bildern.

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