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Suli Puschban geht mit ihren Liedtexten neue Wege.

© Michael O’Ryan

Porträt der Kindermusikerin Suli Puschban: „Ich hab die Schnauze voll von Rosa“

Schluss mit Stereotypen: Die Kreuzberger Liedermacherin Suli Puschban lässt es in der Kindermusik krachen. Bei ihr singen garantiert alle mit.

Von Susanna Nieder

„Beim Rocken bin ich die Quotenfrau“, sagt Suli Puschban und lacht. Das tut sie gerne, es klingt ein bisschen dreckig und höchst amüsiert. Unter den deutschen Kindermusikerinnen ist sie eine der wenigen, die auf den Putz hauen.

Ihre Texte sind eine Wohltat für Mütter, die ihre Töchter mit „Nun legt euch hin, ihr Brüder“ in den Schlaf singen müssen, mit „Jan und Hein und Klaas und Pit“ und wie die Kerle noch alle heißen. Bei Suli Puschban und ihrer Kapelle der guten Hoffnung gibt es im Piratenlied auch Schwestern, sie singt vom „Supergirl“, das den Wal am Strand zurück ins Meer wirft, und richtig rund geht es bei ihrem Evergreen „Ich hab die Schnauze voll von Rosa“.

Auch in der Kindermusik herrschen die Alphamännchen vor, aber wenn die Wahlberlinerin, Lesbe und überzeugte Bewohnerin von SO 36 davon erzählt, hebt sie beide Hände und grinst: „Das Gendern in der Kindermusik ist ganz klar meine Aufgabe.“

Sich davon aufhalten oder die Laune verderben lassen? Ach geh. Dass sie ursprünglich aus Wien stammt, hört man an ihrem leichten österreichischen Akzent und einem gelegentlichen „Ja eh!“; in Berlin lebt sie seit 1994.

Dass Puschban eine „Ausnahmeerscheinung als Liedermacherin für Kinder“ ist, bescheinigte ihr im März 2019 die Jury der Gema, die ihr den Musikautorenpreis in der Kategorie „Kinderlied Text“ verlieh. Sie setzte sich damit gegen harte Konkurrenz durch, denn ebenfalls nominiert waren die drei super erfolgreichen Hamburger Jungs von der Band Deine Freunde und Monika Lakomy, die Texterin hinter Reinhard Lakomys legendärem „Traumzauberbaum“.

Sie ist als Performerin eine Ausnahmeerscheinung

Wer je erlebt hat, wie Suli Puschban allein mit ihrer Gitarre einen Zuschauerraum voller Kinder in eine singende, jubelnde Menge verwandeln kann, weiß: Diese Frau ist auch als Performerin eine Ausnahmeerscheinung. Zwar gehört Mitsingen und -tanzen zu jedem Kinderkonzert, gute Kindermusikerinnen und -musiker müssen anheizen können.

Aber Puschban erarbeitet auch innerhalb von kürzester Zeit ein Lied mit Kindern und führt es dann gemeinsam mit ihnen auf. „Nach vorne raus Kontakt aufnehmen“, Verbindung herstellen, das hält sie für ihre große Stärke. Dabei kommen ihr die Ausbildung als Sozialarbeiterin und jahrelange Berufserfahrung als Erzieherin zugute.

Deshalb macht sie auch gerne Aktionen in Grundschulen. Zum Beispiel singt sie eine Woche lang mit allen Klassen und schreibt am Ende einen Song nur für diese Schule. An der Cecilien-Grundschule in Wilmersdorf, vor der elf Stolpersteine an ermordete Jüdinnen und Juden erinnern, spielte Puschban bei einer Veranstaltung zum 9. November ihren Song „Wir stehen auf“, in dem es heißt: „Wir stehen auf, wir mischen uns ein, wir stehen auf, du bist nicht allein (…) Nur einer ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, ein Meer wollen wir sein.“

Suli Puschban eckt auch an

Natürlich gibt es nicht nur Fans ihrer Texte. Auf den, ehrlich gesagt, rührend harmlosen Song „Einfach weil ich kann“, den sie mit der Bielefelder Kinderliedermacherin Astrid Hauke singt, sei der Protest zweier Mütter eingelaufen: „Die Kinder sind eh schon so frech, da muss man sie doch nicht noch ermuntern.“ Und weil sie in „Supergirl“ singt: „Mit dem Gesicht vom Bösewicht wischt sie den Boden auf und wenn er muckt und zuckt und spuckt, dann springt sie noch mal drauf“, bekam sie rechte Hetzkommentare.

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2020 wäre Suli Puschbans erfolgreichstes Jahr geworden, aber von 40 geplanten Auftritten konnten wegen der Corona- Pandemie nur fünf stattfinden. Zwei Freiluftkonzerte hat sie diesen Sommer gegeben, mit 130 Gästen statt 500, „aber alle waren happyer als sonst“.

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Auch wenn das Virus ihren Tourplan zerlegt hat, geht Puschban die Arbeit nicht aus. Sie sitzt an einem Album, auf dem jedes Lied in Kooperation mit einem anderen Künstler oder einer Künstlerin entsteht, Konstantin Wecker ist dabei und Katharina Frank, vor vielen Jahren Sängerin der Berliner Band Rainbirds.

Puschban ist schon wieder total begeistert: „Die musst du mal googeln, fantastische Musikerin!“ Außerdem hat sie mit dem Komponisten Olaf Taranczewski ein Senatsstipendium bekommen – „nur für künstlerische Entwicklung!“

"Es gibt so viel mehr als Rolf Zuckowski"

Die beiden schreiben an einem Kindermusical, das möglichst nah an der Wirklichkeit der Kinder dran sein soll und gerne zum Klassiker werden darf, wenn es nach ihnen geht. Aber jetzt rührt sie erst mal die Trommel für Kinderliedermacher und -macherinnen. Die werden viel zu wenig wahrgenommen, findet sie – oder warum sonst wissen die Leute nicht, wie viele Begrüßungslieder es alleine gibt?

Nichts gegen Altmeister Rolf Zuckowski, aber es gibt so viel mehr! Viele Kollegen bieten Fortbildungen für Lehrende und Erziehende an, zum Beispiel Robert Metcalf, der mit seinen Liedern auf Deutsch und Englisch schon die dritte Generation Berliner Kleinkinder ins Leben begleitet.

[Infos zu den Konzerten am 20. 9.: kindermusik.de/festivals]

Um überhaupt eine Interessenvertretung zu haben, gibt es das Netzwerk Kindermusik.de, in dem 42 Kolleginnen und Kollegen gemeinsam für die gute Sache kämpfen. Zum Weltkindertag am 20. September geben sie deutschlandweit Open- Air-Konzerte.

Es sind Bekannte und Unbekannte dabei, aber alle sind sie Überzeugungstäter. Puschban ist es ein Rätsel, warum das nicht mehr gefördert wird. An ihr soll es nicht scheitern, sie wird demnächst in Bregenz mit zwölf- bis 18-jährigen Mädchen arbeiten. Wetten, dass dabei Texte rauskommen, die es krachen lassen?

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