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Cool in Bochum: Der Schriftsteller Wolfgang Welt in jungen Jahren.

© Suhrkamp Verlag/Andreas Boettcher

Popschriftsteller tot: Wolfgang Welt gestorben

Lou Reed interviewen, Herbert Grönemeyer doof finden und auf der Mansarde sich einen runterholen: Zum Tod des Bochumer Schriftstellers Wolfgang Welt.

Etwas seltsam mutet es ja an, dass der Suhrkamp Verlag die Nachricht vom Tod des Schriftstellers Wolfgang Welt übermittelt. So als würde sich ein Kreis schließen, einer des Lebens, Schreibens und Sterbens. Jener Verlag, den der 1952 in Bochum geborene Welt als junger Popmusikzeitungsschreiber so überaus bewunderte – und dessen langjähriger Lektor Hans-Ulrich Müller Schwefe ihn in den achtziger Jahren tatsächlich nach einem Roman fragte: „Ich war geschockt. Einer von Suhrkamp wollte, dass ich für die schrieb?! So was kam bestimmt nicht häufig vor. Ich wollte nicht wissen, wie viele Manuskripte dieser Mann unaufgefordert geschickt kriegt, und da sagte der doch tatsächlich: ,Wollen Sie nicht auch für uns schreiben?’“.

So steht es in Welts Debütroman „Peggy Sue“, der 1986 erschien, allerdings nicht bei Suhrkamp, sondern im Konkret Literaturverlag. Zwanzig Jahre sollte es dauern, bis Wolfgang Welt wirklich bei Suhrkamp landete, dann aber gleich mit einer Art Werkausgabe, bestehend aus drei Romanen und diversen anderen Texten. Darin erzählt Welt, mehr oder weniger unterschiedslos, aus seinem Leben. Das dreht sich um Popmusik und das Schreiben darüber, um Sex, den er selten hat, aber an den er oft denkt („Kaum aus der Psychiatrie entlassen, holte ich mir auf meiner Mansarde einen runter“, so beginnt sein vierter, 2009 bei Suhrkamp erschienener Roman „Doris hilft“), und um eben jene psychischen Gebrechen, die immer wieder Aufenthalte in der Psychiatrie nötig machen.

Wolfgang Welt war einer der ganz frühen Pop-Schriftsteller

Nicht zuletzt deshalb geht wenig voran in diesem Leben, in diesen Büchern, man könnte von rasanten Nichtentwicklungsromanen sprechen. Trotzdem erzählen diese viel von der Popmusikwelt gerade der achtziger Jahre – Welt interviewt Lou Reed und Alan Vega, begleitet Motörhead auf einer Tour in England, lästert über Herbert Grönemeyer und Heinz-Rudolf Kunze; sie erzählen nebenher aber auch einiges vom Ruhrgebiet und seinen Menschen und wie es im tiefen Westen so war. Tragisch ist, dass Welt vom Popliteraturboom um das Jahr 2000 herum nicht profitieren konnte, obwohl er die Blaupause dafür geliefert hatte. Er blieb ein Autor für die glücklichen Wenigen, unter anderem Peter Handke und Dietmar Dath, hatte sein Auskommen als Pförtner des Bochumer Schauspielhauses und veröffentlichte zuletzt die Erzählung "Fischsuppe", nun allerdings wieder in einem kleinen Verlag, dem von Peter Engstler in Ostheim/Rhön. Am Sonntag ist der große Lebensaufschreiber Welt vermutlich an den Folgen seiner dauerhaften Psychopharmakamedikation in Bochum gestorben.

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